Ein Schweizer Herzchirurg setzt seinen Patienten experimentelle Implantate ein. Über den Verlauf der Operation macht er unklare Aussagen. Die Erlaubnis zum Einsetzen der Implantate hat er nur aufgrund falscher Angaben gegenüber der Heilmittelbehörde Swissmedic erhalten. Dieser Fall, der aktuell Schlagzeilen macht, ist nur ein Beispiel für Arzt- und Spitalfehler im Zusammenhang mit Medizinprodukten. Für Vorkommnisse mit diesen Produkten besteht in der Schweiz Meldepflicht seitens der Hersteller sowie der anwendenden Ärzte und Spitäler. Wie Erhebungen von Swissmedic zeigen, kommen Spitäler ihrer Meldepflicht aber oft nicht nach.
Doppeltes Meldeverfahren für Vorkommnisse mit Medizinprodukten
Heilmittel dürfen in der Schweiz nicht ohne Bewilligung von Swissmedic zugelassen werden. Bei Medizinprodukten sieht es anders aus. Als Medizinprodukte gelten beispielsweise medizinisch-technische Geräte und Instrumente wie Defibrillatoren, medizinische Software, Zubehör wie Aufbewahrungsfläschchen und auch Implantate. Diese Produkte durchlaufen ein europäisches Konformitätsbewertungsverfahren. Entsprechend können die Hersteller eine europäische Zertifizierungsstelle für die Zulassung auswählen. Innerhalb des Prüfungsverfahrens wird nur die Herstellungspraxis, nicht aber etwa das Verhalten von Implantaten innerhalb des Körpers berücksichtigt.
Um einen Überblick über Vorkommnisse mit eventuell fehlerhaften Medizinprodukten zu erhalten, hat Swissmedic ein doppeltes Meldeverfahren eingeführt: Kommt es zu einem Vorfall mit einem Medizinprodukt, müssen sowohl die Herstellerfirma als auch der Anwender diesen Vorfall melden. Zu den Anwendern gehören dabei Ärzte, Spitäler und Labore, die das jeweilige Medizinprodukt einsetzen. Führt beispielsweise ein Implantat nach dem Einsetzen zu dauerhaften Schmerzen, liegt der Verdacht eines fehlerhaften Produkts nahe und der Fall muss Swissmedic angezeigt werden. Die doppelte Meldepflicht soll dem Schutz von Patienten dienen und verhindern, dass sich schwerwiegende Vorkommnisse wiederholen. Swissmedic überwacht zudem Rückrufaktionen der Hersteller.
Spitäler melden nur die Hälfte aller Vorfälle
Ein Vergleich von Anwendern und Herstellern von Medizinprodukten aus dem Jahr 2018 zeigt, dass Hersteller ihrer Meldepflicht zuverlässiger nachkommen als Spitäler. Der Statistik zufolge melden Spitäler im Durchschnitt nur halb so viele Vorfälle an Swissmedic wie die Herstellerfirmen. Während die Hersteller im Jahr 2018 mehr als 900 Vorkommnisse anzeigten, waren es auf Seiten der Spitäler weniger als 450. Mögliche Spitalfehler lassen sich so häufig nur aufgrund der Meldung von Produktherstellern nachweisen.
Um die Meldepflicht bei Spitälern besser durchzusetzen, wurden 2019 die Bussgelder für Verfehlungen erhöht. Seitdem können Höchstbussen von bis zu 20’000 Franken festgesetzt werden.
Schadenersatz bei Arzt- und Spitalfehlern
Fehlerhafte Medizinprodukte sind nun keinesfalls die einzigen Behandlungsfehler, die im Praxis- und Spitalalltag auftreten können. Das Bundesamt für Gesundheit geht davon aus, dass jeder zehnte Spitalpatient aufgrund eines Behandlungsfehlers einen gesundheitlichen Schaden erleidet. Strafrechtliche Verfahren aufgrund ärztlicher Kunstfehler führen allerdings nur selten zu einer Verurteilung. Diese setzt den eindeutigen Nachweis voraus, dass ein Fehler des Arztes oder des Spitals zur Gesundheitsschädigung oder zum Tod des Patienten geführt hat. Ein solcher Nachweis lässt sich aber kaum je erbringen. Strafverfahren sind zudem so kostspielig, dass Patienten ohne Rechtsschutzversicherung diesen Weg nur selten wählen.
Auf zivilrechtlichem Weg können Betroffene jedoch Schadensersatz geltend machen. Das Bundesgericht legt fest, dass Ärzte nicht nur für ausdrückliche Kunstfehler, sondern für jede Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht zu haften haben. Die Verletzung der Sorgfaltspflicht muss ebenfalls eindeutig nachgewiesen werden. Lässt sich die Ursache der Schäden nach dem gegenwärtigen Stand der Medizin nicht erkennen, besteht keine Haftungspflicht. Ärzte stehen allerdings in der Verantwortung, ihr Fachwissen auf der Höhe zu halten und Behandlungen nur bei entsprechender fachlicher Kompetenz durchzuführen.