Im Krankenhaus wird viel Kaffee getrunken. Wie viele Tassen das ärztliche Personal tatsächlich konsumiert, hat eine Forschergruppe am Kantonsspital St. Gallen über den Zeitraum eines Jahres hinweg untersucht. Im Jahr 2014 gaben die Krankenhauskantinen demnach mehr als 70.000 Tassen Kaffee aus. Die meisten davon gingen an Orthopäden.
Welche medizinische Fachrichtung trinkt am meisten Kaffee?
Nicht jede medizinische Studie beschäftigt sich mit komplett ernsten Themen. Die Forschungsgruppe aus St. Gallen hat sich mit einem Augenzwinkern daran gemacht, den Kaffeekonsum am Kantonsspital zu untersuchen – und hat es damit sogar bis ins British Medical Journal (BMJ) geschafft. Basis für die Untersuchung bildeten die in einer Kantine der Klinik verkauften Tassen Kaffee. Dabei analysierten die Autoren den Kaffeekonsum von insgesamt 766 Medizinern verschiedener Fachrichtungen, darunter 341 Ärztinnen und 425 Ärzte.
Insgesamt wurden während des Untersuchungszeitraums 70.772 Tassen Kaffee getrunken. 644 Personen kauften das koffeinhaltige Getränk. Das entspricht 84 Prozent des medizinischen Personals. Dabei stellten die Forscher große Unterschiede zwischen den einzelnen Fachrichtungen fest. So tranken Chirurgen deutlich mehr Kaffee als andere Ärzte. Die größten Kaffeeliebhaber sind der Studie zufolge die Orthopäden.
Kaffeekonsum nach Facharztrichtung
Die Top-Liste der Kaffeekonsumenten am Kantonsspital St. Gallen gestaltet sich wie folgt:
Rang | Facharztrichtung | Durchschnittliche Tassen pro Kopf |
1. | Orthopädie | 189 Tassen |
2. | Radiologie | 177 Tassen |
3. | Allgemeine Chirurgie | 167 Tassen |
4. | Neurochirurgie | 116 Tassen |
5. | Neurologie | 104 Tassen |
6. | Innere Medizin | 90 Tassen |
7. | Gynäkologie | 75 Tassen |
8. | Anästhesie | 39 Tassen |
Unterschiede zwischen den Geschlechtern und den Altersgruppen
Unterschiede bemerkten die Forscher auch zwischen den Geschlechtern und den verschiedenen Altersgruppen. Männliche Ärzte trinken demnach mehr Kaffee als ihre weiblichen Kolleginnen. Männer bevorzugen zudem eher Espresso, während Frauen am liebsten Cappuccino trinken. Bei ausgefallenen Kaffeespezialitäten greifen beide Geschlechter nur selten zu. Am Morgen zeigt sich eine deutliche Tendenz zum Café Créme. Nach dem Mittagessen verkauft sich dagegen Espresso am besten.
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Krankenhausärzte, die länger als fünf Jahre im Job sind, trinken mehr Kaffee als ihre jüngeren Kollegen. Die Forscher führen das unter anderem darauf zurück, dass ältere Ärzte durch höheren Kaffeekonsum versuchen könnten, mit den Jüngeren mitzuhalten. Außerdem gebe ihnen ihr höherer Status eventuell mehr Zeit für Kaffeepausen. Die Autoren der Studie weisen aber auch darauf hin, dass ältere Ärzte mit höherem Status gerne mal eine Runde Kaffee ausgeben und die Zahl der gekauften Becher Kaffee nicht mehr dem tatsächlichen Konsum korrespondiert.
Warum trinken gerade Orthopäden so viel Kaffee?
Doch warum trinken gerade Orthopäden so viel Kaffee? Die Studienautoren äußern auch zu dieser Frage einige – nicht ganz ernst gemeinte – Vermutungen. So könnte es zum Beispiel sein, dass sich die Mentalität von “work hard/play hard” auch beim Kaffeekonsum widerspiegele, in Form von “drink hard”. Eventuell müssten Orthopäden auch viel Zeit totschlagen und würden sich deswegen häufig in der Kantine aufhalten. Radiologen könnten oft in der Cafeteria anzutreffen sein, da sie versuchen, ihrem dunklen Arbeitsumfeld zu entkommen. Anästhesisten, die Schlusslichter der Rangliste, hätten eventuell zu viel zu tun, um Zeit für den Kantinenbesuch zu haben – oder aber sie haben Kaffeemaschinen am eigenen Arbeitsplatz stehen.
Studien weisen auf gesundheitsfördernde Wirkung von Kaffee hin
Ist der häufige Kaffeekonsum noch gesund? Einige Untersuchungen weisen darauf, dass zu viel Kaffee zu Bluthochdruck führen könnte. Andere Studien wiederum kommen zu dem Ergebnis, dass selbst sehr häufiges Kaffeetrinken positive Auswirkungen auf die Gesundheit hat. So hat das National Institute of Health in Rockville zum Beispiel die Gesundheit von fast 500.000 Briten analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass auch größere Mengen Kaffee die Lebenserwartung verlängern. Nahmen die Probanden eine Tasse Kaffee am Tag zu sich, sank das Sterberisiko um acht Prozent. Bei vier bis fünf Tassen sank die Sterbewahrscheinlichkeit sogar um 12 Prozent, bei sechs bis sieben Tassen um 16 Prozent. Dabei spielte es keine Rolle, ob die Probanden koffeinhaltigen oder entkoffeinierten Kaffee tranken. Die Orthopäden am St. Gallener Kantonsspital setzen mit ihrem Kaffeekonsum also aller Wahrscheinlichkeit nach nicht ihre Gesundheit aufs Spiel.