Dass die Ernährung einen grossen Einfluss auf die Genesung von Patienten hat, beobachten Mediziner und Pflegekräfte im medizinischen Alltag immer wieder. Nun hat eine schweizweit angelegte Beobachtungsstudie des Kantonsspitals Aarau in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Statistik nachgewiesen, in welchem Masse mangelernährte Patienten von einer Ernährungsbegleitung profitieren. Mit ernährungstherapeutischer Begleitung gelingt es demnach, die Sterblichkeit dieser Patienten um rund 20 Prozent zu reduzieren.
Unzureichende Ernährung hat schlechtere Überlebenschancen zur Folge
Akut erkrankte Patienten essen oft weniger. Auch Senioren haben häufig einen verminderten Appetit. Unter den hospitalisierten Patienten liegt das Risiko für Mangelernährung sogar bei 30 bis 50 Prozent. Im Berufsalltag machen Mediziner und Pflegekräfte immer wieder die Erfahrung, dass sich ein schlechter Ernährungszustand negativ auf den Krankheitsverlauf auswirkt. Durch Mangelernährung geschwächte Patienten genesen weniger schnell und versterben häufiger. Klinische Studien bestätigen diese Alltagsbeobachtungen. Demnach erhöht sich das Risiko für medizinische Komplikationen und Sterblichkeit, wenn bei Patienten bereits vor der Spitaleinweisung eine Mangelernährung vorliegt. Jüngere Studien haben ebenfalls nachgewiesen, dass eine aktive Ernährungsberatung mit begleitenden ernährungstherapeutischen Massnahmen die Langzeitprognose von mangelernährten Patienten positiv beeinflussen kann. Unter anderem aus diesem Grund wird der Ernährungszustand seit 2013 durch SwissDRG erfasst und hat Einfluss auf die Zusammensetzung der Fallpauschale.
Untersuchungen aus der Intensivmedizin zeigen jedoch auch, dass eine zu früh einsetzende ergänzende Ernährung die Anzahl der Todesfälle erhöht. Der Appetitverlust dient als Schutzmechanismus des Körpers und lässt den Patienten erst dann wieder essen, wenn der Organismus gesundet ist. Bei chronisch mangelernährten Patienten stellt der Energieverlust allerdings ein grosses Problem dar. Angesichts der widersprüchlichen Studienlage stehen Spitäler vor der Frage, wie sie mit mangelernährten Patienten am besten umgehen.
Eine Möglichkeit besteht darin, mangelernährten Patienten während ihres Spitalaufenthalts eine Ernährungstherapie anzubieten. Bislang fehlte es allerdings an breitangelegten Untersuchung zum Nutzen solcher ernährungsbegleitenden Massnahmen. Diese Lücke füllt nun die Beobachtungsstudie der Medizinischen Universitätsklinik am Kantonsspital Aarau. Die Resultate veröffentlichte kürzlich die Fachzeitschrift «JAMA Network Open».
Positive Auswirkung von Ernährungsunterstützung bei mangelernährten Patienten
Für die Studie zogen die Forscher Daten von 100’000 Patienten aus der gesamten Schweiz heran. Die Datengrundlage bildeten sämtliche zwischen 2013 und 2018 vom Bundesamt für Statistik erfassten Spitalaufenthalte. Berücksichtigt wurden internistische Spitalpatienten, bei denen laut Fallpauschalen-Kodierung eine Mangelernährung vorlag. Die Autoren verglichen die Spitalsterblichkeit von Patienten, die während ihres Aufenthalts eine Ernährungstherapie erhalten haben, mit der von Patienten ohne Ernährungsbegleitung. Mittels statistischer Methoden sorgten die Forscher dafür, dass beide Gruppen möglichst miteinander vergleichbar waren.
Im Ergebnis zeigt sich, dass bei mangelernährten Patienten ohne Ernährungsbegleitung eine Spitalsterblichkeit von 8,8 Prozent vorliegt. Bei mangelernährten Spitalpatienten, die eine unterstützende Ernährungstherapie erhalten, liegt die Sterblichkeit dagegen nur bei 7,2 Prozent. Das entspricht einer relativen Reduktion von rund 20 Prozent.
Ernährung: Therapie reduziert auch das Risiko eines Wiedereintritts ins Spital
Mithilfe von Ernährungstherapie lässt sich das Sterblichkeitsrisiko von mangelernährten Spitalpatienten also wesentlich reduzieren. Die Forscher wollten darüber hinaus wissen, welche Auswirkungen eine Ernährungstherapie auf einen möglichen Wiedereintritt ins Spital hat. Tatsächlich zeigt die Auswertung der Daten, dass Patienten, die während ihres Aufenthalts eine Ernährungsberatung erhalten haben, weniger häufig wieder ins Spital eingewiesen werden als Patienten, die keine Unterstützung bei ihrer Ernährung erhalten. Ernährungstherapierte Patienten benötigen nach ihrer Entlassung ausserdem seltener Anschlusslösungen.
Mit der Studie möchte das KSA-Forscherteam dazu beitragen, das Thema Mangelernährung in Zukunft noch ernster zu nehmen. Sowohl Spitalmitarbeiter als auch die Patienten selbst sollen für eine Ernährungstherapie sensibilisiert werden.
EFFORT-Studie untersucht den Einfluss einer individuellen Ernährungstherapie
Den Effekt einer individuellen Ernährungstherapie untersucht das Kantonsspital Aarau auch mit der vom Schweizer Nationalfond unterstützten EFFORT-Studie. Für diese Untersuchung werden rund 3’000 Patienten in verschiedenen Schweizer Spitälern in einem randomisierten Verfahren in zwei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe erhält eine Ernährungstherapie, die andere nicht. Anschliessend wird analysiert, wie sich die individuellen ernährungstherapeutischen Massnahmen auf verschiedene Eckpunkte wie Sterblichkeit, Komplikationen, Lebensqualität, Wiedereinweisung ins Spital, Kosten und weiteres auswirken. Dabei wollen die Forscher vor allem der Frage nachgehen, ob Mediziner bei akut kranken Patienten mit der Ernährung warten sollen, bis der Appetit von allein wiederkehrt, oder ob sie bereits vorher Massnahmen ergreifen, um das Energiedefizit zu reduzieren. Anders als vorangegangene Untersuchungen schliesst die EFFORT-Studie auch polymorbide Patienten mit ein.
Darüber hinaus sollen die Patienten in Subgruppen, unter anderem nach spezifischen Erkrankungen, eingeteilt werden. Auf diese Weise wollen die Forscher herausfinden, welche Patienten besonders von einer Ernährungsbegleitung profitieren und bei welchen Patienten ein geringerer positiver Einfluss besteht. Als Studienzeitraum sind zweieinhalb Jahre angesetzt.