Übersteigt die Anzahl der Anmeldungen für ein Medizinstudium die Zahl der vorhandenen Studienplätze, können die Kantone Zulassungsbeschränkungen anordnen. Die Auswahl wird basierend auf den Matura-Noten und eines medizinischen Eignungstests getroffen. Doch lässt sich von den Schulnoten und den Ergebnissen des Eignungstests tatsächlich auf die späteren Studienleistungen schliessen? Eine aktuelle Studie der Universität Bern nährt Zweifel am Zulassungsprozess.
Zulassungsverfahren Medizinstudium: Studie an der Universität Bern
Wie in vielen anderen Ländern auch, ist das Studienfach Humanmedizin bei Schulabgängern in der Schweiz beliebt. Jedes Jahr bewerben sich mehr Studienanwärter auf ein Bachelor-Studium, als Plätze zur Verfügung stehen. Liegt die Zahl der Aspiranten 120 Prozent über der Zahl der vorhandenen Studienplätze, können landesweit Zulassungsbeschränkungen eingeführt werden.
Schulnoten gelten seit Jahren als zuverlässiger Prädikator für zukünftige Studienleistungen. Mehrere Studien weisen auf einen Zusammenhang zwischen guten Schulabschlussnoten und guten Leistungen im Studium hin. Die Zulassung zum Studium aufgrund von Schulnoten allein ist jedoch in die Kritik geraten. In einigen Ländern, etwa in Großbritannien und Deutschland, erhalten Schülerinnen und Schüler zudem immer bessere Abschlussnoten. Der Numerus clausus eignet sich damit nur noch bedingt als Auswahlverfahren. In der Schweiz lässt sich dieser Prozess zwar nur eingeschränkt beobachten, doch auch haben sich stetig verbessernde Matura-Noten zu einer Diskussion ums Hochschulzulassungsverfahren geführt.
Als Alternative zum Numerus clausus können Universitäten in der deutschsprachigen Schweiz Studienanwärter einen Eignungstest absolvieren lassen. Der sogenannte Eignungstest Medizinstudium Schweiz (EMS) fragt nicht das wissenschaftliche Wissen der Studienbewerber ab, sondern will vielmehr allgemeine kognitive Fähigkeiten ermitteln. Mithilfe des Tests soll herausgefunden werden, ob die Kandidatinnen und Kandidaten die richtigen Voraussetzungen mitbringen, um ihr Studium der Humanmedizin erfolgreich zu absolvieren. Seit 1998 wird er von Universitäten in der deutschsprachigen Schweiz als Zulassungsverfahren verwendet. Vorangegangene Untersuchungen haben einen Zusammenhang zwischen den Resultaten des EMS und der Performance im medizinischen Grundstudium festgestellt. Ob sich der EMS tatsächlich zur Vorhersage späterer Studienleistungen eignet, wird jedoch von einigen Kritikern angezweifelt.
Der Universität Bern zufolge bestand daher Anlass zu weiteren Analysen. Für ihre Studie haben die Autoren die Matura-Noten, EMS-Ergebnisse und Studienleistungen von 730 Studierenden im Bachelor-Studiengang Medizin an der Uni Bern untersucht. 277 dieser Studierenden belegten an ihrer Schule Leistungskurse im Bereich Biologie und Chemie.
Medizinischer Eignungstest eignet sich nur begrenzt zur Vorhersage späterer Leistungen
87,7 Prozent der Studierenden schlossen ihr Bachelor-Studium erfolgreich ab, 70,1 Prozent innerhalb von drei Jahren. Die Rate der Studienabbrecher lag bei 12,3 Prozent. Die Autoren der Studie prüften nun, ob eine Korrelation zwischen guten Matura-Noten und den Leistungen im Studium bestand. Der Analyse zufolge lässt sich tatsächlich auf einen solchen Zusammenhang schliessen. Das gilt vor allem für die Leistungen im ersten Studienjahr. Insbesondere die Hauptnote aus den Fächern Biologie-Chemie erlaubt relativ zutreffende Vorhersagen über die Leistungen im ersten Jahr des Medizin-Grundstudiums.
Ab dem zweiten Jahr sehen die Autoren die bisherigen Studienleistungen als beste Variable zur Vorhersage der weiteren Performance an. Den Ergebnissen aus dem medizinischen Eignungstest kommt dagegen nur begrenzte Aussagekraft für zukünftige Studienleistungen zu. Die Resultate der Studienabbrecher unterschieden sich beispielsweise nicht von den EMS-Ergebnissen, die erfolgreiche Absolventen des Bachelor-Studiengangs erzielten. Das Auswahlverfahren zum Studium der Humanmedizin müsse daher neu überdacht werden, schreiben die Autoren in ihrer Analyse. Damit heizen sie bereits bestehende Zweifel am Zulassungsverfahren weiter an.