Von einer Lohngleichheit zwischen selbstständig tätigen Ärzten und Ärztinnen kann derzeit noch keine Rede sein. Selbst unter Einbeziehung verschiedener Erklärungsfaktoren haben männliche Ärzte im Jahr 2019 ein um rund 25 Prozent höheres Einkommen erzielt als ihre Kolleginnen. Das geht aus einer aktuellen Publikation des Bundesamtes für Statistik (BFS) hervor.
Lohngleichheit: Mediangehalt selbständiger Ärzte und Ärztinnen bei 162’000 Franken
Die Ergebnisse basieren auf Strukturdaten der Arztpraxen und ambulanten Zentren (MAS). Insgesamt hat das BFS Daten von 6.472 selbstständigen Ärztinnen und Ärzten aus dem Referenzjahr 2019 berücksichtigt. Die befragten Mediziner sind im Besitz eines Einzelunternehmens und verfügen über eigene Räumlichkeiten, Mobiliar, medizinische Geräte und weitere Infrastruktur. Das Einkommen entspricht dabei dem Betriebsergebnis der Arztpraxis, also der Differenz zwischen dem Gesamtertrag und dem Gesamtaufwand, abzüglich Sozialabgaben und Vorsorgebeiträge. Die Ergebnisse wurden gewichtet, um sie auf die Grundgesamtheit von 9.751 selbstständig tätigen Ärztinnen und Ärzten in der Schweiz hochzurechnen.
Das Mediangehalt für selbstständige Ärztinnen und Ärzte lag demnach im Jahr 2019 in der Schweiz bei 162.000 Euro. Das bedeutet, die Hälfte der selbstständig tätigen Mediziner verdient mehr, die andere Hälfte weniger.
Das höchste Medianeinkommen verzeichneten dabei selbstständige Ärztinnen und Ärzte mit chirurgischer Tätigkeit. Sie verdienten im Mittel 266‘000 Franken. Am wenigsten verdienten die selbstständigen Psychiaterinnen und Psychiater mit einem Mediangehalt von 108‘000 Franken. Das mittlere Einkommen der Grundversorgerinnen und Grundversorger lag im Jahr 2019 bei 172‘000 Franken.
Der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen liegt bei 25 Prozent
Wie die Analyse der Daten zeigt, verdienen Männer im Arztberuf auch heute noch deutlich mehr als Frauen. Einfluss auf das Gehalt haben unter anderem Faktoren wie das Arbeitsvolumen, das Tätigkeitsgebiet, die direkte Medikamentenabgabe in der Praxis und die Ausübung einer Belegarzttätigkeit. Um aussagekräftige Daten zur Lohngleichheit unter den selbstständig tätigen Medizinern zu erhalten, hat das BFS diese entscheidenden Erklärungsfaktoren mittels eines linearen Regressionsmodells herausgerechnet. Selbst dann besteht zwischen dem Einkommen von Ärzten und Ärztinnen immer noch eine Differenz von 25 Prozent.
Der Einkommensunterschied zwischen Ärztinnen und Ärzten fällt damit wesentlich höher aus als der Durchschnitt im privaten und öffentlichen Sektor: Unabhängig von der beruflichen Stellung verdienen Männer in der Schweiz im Mittel 11.25 Prozent mehr als Frauen. Im oberen und mittleren Kader beträgt der mittlere Gehaltsunterschied 18.55 Prozent, im unteren Kader 9.39 Prozent, bei Berufen ohne Kaderfunktion 7.56 Prozent.
Praxisapotheke und Belegarzttätigkeit steigern das Einkommen
In den meisten Kantonen der Deutschschweiz dürfen Ärztinnen und Ärzte über eine Praxisapotheke direkt Medikamente an ihre Patienten ausgeben. In der französischen Schweiz und im Tessin ist dies nicht zugelassen. Die Praxisapotheke kann das Einkommen der selbstständigen Mediziner deutlich steigern. Ärztinnen und Ärzte, die Medikamente an Patienten abgeben, verdienten im Jahr 2019 im Mittel 207‘000 Franken – 41 Prozent mehr als ihre Kollegen ohne Praxisapotheke (147‘000 Franken).
Auch die Tätigkeit als Belegärztin oder Belegarzt in einem Spital oder einer Klinik wirkt sich positiv auf das Einkommen aus. Selbstständige Mediziner mit Belegarzttätigkeit erwirtschafteten ein Mediangehalt von 233‘000 Franken, Ärztinnen und Ärzte ohne Belegarzttätigkeit ein mittleres Gehalt von 152‘000 Franken. Unter den Medizinern mit chirurgischer Tätigkeit sowie im Fachgebiet Gynäkologie ist der Anteil der Belegärztinnen und -ärzte besonders hoch.
Lohngleichheit: Weitere statistische Daten zur Ärzteschaft in der Schweiz
Das BFS hat noch weitere statistische Daten zur selbstständig tätigen Ärzteschaft in der Schweiz erhoben. Demnach sind 55 Prozent der selbstständig tätigen Mediziner 55 Jahre oder älter. Der Männeranteil liegt bei 60 Prozent. 38 Prozent der selbstständigen Ärztinnen und Ärzte arbeiten in der Grundversorgung. Dazu gehören die Allgemeine Innere Medizin, die Pädiatrie sowie praktische Ärztinnen und Ärzte. Die pro Woche geleistete Arbeitszeit lag im Jahr 2019 im Mittel bei 42 Stunden, der Beschäftigungsgrad bei 80 Prozent.