Die Praxisübernahme ist eine Möglichkeit, sich in der Schweiz als Ärztin oder Arzt selbständig zu machen. Gegenüber der Neugründung bietet dieser Weg einige Vorteile: Neben Räumlichkeiten und Inventar kann zum Beispiel auch der Patientenstamm übernommen werden. Auch bei der Übernahme einer Praxis sind jedoch zahlreiche Dinge zu beachten. Dieser Artikel zeigt Ärztinnen und Ärzten, was sie wissen müssen.
Inhaltsverzeichnis
Praxisübernahme: Der Schritt in die Selbständigkeit
Die ärztliche Selbständigkeit verspricht Unabhängigkeit, geht jedoch auch mit viel Verantwortung einher. Ärztinnen und Ärzte mit eigener Praxis tragen das volle finanzielle Risiko und müssen sich neben der Betreuung der Patienten auch ums Personalmanagement, die Qualitätssicherung und das Marketing kümmern. Bevor eine eigene Praxis eröffnet wird, sollte man sich daher ausführlich mit den Chancen und Risiken des Unternehmertums befassen. Dazu gehört auch die Frage, ob man der Arbeitsbelastung psychisch und physisch auf lange Zeit gewachsen ist. Hilfreich ist es, sich von erfahrenen Berufskollegen Ratschläge für die Selbständigkeit einzuholen.
Die Praxisübernahme stellt oftmals eine geringere Herausforderung dar als die Neugründung. Dennoch warten auf dem Weg einige Stolpersteine. Die folgenden Tipps helfen, die Übernahme gut durchdacht zu organisieren.
Bewilligungen einholen
Für die eigenverantwortliche ärztliche Tätigkeit ist eine Bewilligung der kantonalen Gesundheitsdirektion erforderlich. Die Bedingungen unterscheiden sich von Kanton zu Kanton. Ferner muss die selbständige Erwerbstätigkeit im Haupterwerb bei der kantonalen Ausgleichskasse angemeldet werden. Abhängig vom Kanton ist zudem ein Antrag auf Mitgliedschaft bei der kantonalen Ärztegesellschaft zu stellen.
Praxissuche und Standortanalyse
Sind alle Bewilligungen vorhanden, geht es auf die Suche nach einer geeigneten Praxis. Dabei sind folgende Punkte zu beachten:
- Standortanalyse: Liegt die Praxis zentral? Ist sie gut zu erreichen?
- Fachrichtung: Passt die derzeitige Ausrichtung der Praxis zum eigenen Fachgebiet?
- Finanzielle Kennzahlen: Welchen Umsatz erzielt die Praxis aktuell? Welche Kosten sind zu decken?
- Patientenstamm: Wie setzt sich die Patientenschaft zusammen? Welche Möglichkeiten bestehen, neue Patienten zu gewinnen?
- Aktuelle Konkurrenzsituation: Wie viele Konkurrenten befinden sich in der Nähe? Sind eventuell neue Praxen oder Ärztehäuser geplant?
- Mitarbeiterschaft: Kann man die aktuelle Belegschaft übernehmen?
Praxisübernahme: Verträge prüfen
Bevor es in die Selbständigkeit geht, sollten Ärztinnen und Ärzte zunächst ihren eigenen Arbeitsvertrag hinsichtlich der geltenden Kündigungsfristen prüfen.
Bei der Entscheidung für eine geeignete Praxis sollten zudem die Mietverträge genau studiert werden. Das gilt insbesondere für den Mietzins, die Dauer des Mietverhältnisses und die Kündigungsfristen. Sollen Mitarbeiter übernommen werden, sind darüber hinaus deren Arbeitsverträge zu beachten. Neben Miet- und Arbeitsverträgen sollte man sich vom bisherigen Betreiber der Praxis auch alle weiteren bestehenden Verträge aushändigen lassen, um sich fristgerecht um die Übernahme oder Kündigung kümmern zu können.
Finanzierbarkeit prüfen und Rechtsform festlegen
Bevor man den Schritt in die Selbständigkeit wagt, sollte man überprüfen, ob dieses Vorhaben überhaupt finanzierbar ist. Das wichtigste Werkzeug dafür ist der Businessplan. Darin wird festgehalten, wie hoch der Finanzierungsbedarf ist, welche finanziellen Mittel zur Verfügung stehen und wie ein eventueller Praxiskredit abbezahlt werden soll.
Der Businessplan stellt auch eine wichtige Entscheidungshilfe für die Frage dar, in welcher Rechtsform die Praxis betrieben wird, etwa als Einzelpraxis oder als AG.
Praxisübernahme: Ablaufkonzept für die Übernahme erstellen
Steht die Finanzierung, sollte man im nächsten Schritt einen detaillierten Ablaufplan für die Praxisübernahme erstellen. Es empfiehlt sich, dafür Hilfe von einer Fachperson einzuholen. Das Ablaufkonzept hilft wesentlich, nicht den Überblick über alle anstehenden Punkte und Aufgaben zu verlieren.
Kaufpreis verhandeln
Grundlage für den Kaufpreis bildet eine Praxisschätzung. In der Humanmedizin existieren eine Vielzahl verschiedener Schätzmethoden und Anbietern von Schätzungen. Zunächst sollte man sich über bereits bestehende Schätzungen informieren und diese genau studieren. Als elementare Punkte für den Kaufvertrag sind vor allem die folgenden Kriterien zu betrachten:
- Patientenstamm: Alter, letzter aktiver Patientenkontakt, Anzahl neuer Patienten pro Jahr
- Personalstruktur: Aufbau und Kosten
- Praxisinventar
- Übereinstimmung des Behandlungsangebots zwischen Käufer und Verkäufer
Kaufvertrag aufsetzen
Besteht Einigung über den Kaufpreis, setzt man den Kaufvertrag auf. Der Kaufvertrag sollte neben dem Kaufpreis und dem vereinbarten Zahlungstermin auch aufführen, welches Inventar übernommen wird, welche aufschiebenden oder auflösenden Bedingungen gelten, wie der Übergang von Nutzen und Gefahr erfolgt und wie der Zugang zu den Patientendossiers geregelt wird. Es ist ratsam, den Kaufvertrag vor der Unterzeichnung von einem Fachanwalt prüfen zu lassen.
Plan für Patientenübernahme erstellen
Den bestehenden Patientenstamm zu halten, ist in der Regel einfacher, als neue Patienten zu gewinnen. Für einen möglichst reibungslosen Übergang arbeitet man am besten eng mit dem bisherigen Betreiber der Praxis zusammen. Eventuell kann man vor der eigentlichen Übernahme bereits im Angestelltenverhältnis in der Praxis arbeiten und auf diese Weise das Vertrauen der Patienten gewinnen.
Die Patientenübernahme folgt im Idealfall einem strukturieren Plan. Dieser sollte unter anderem die folgenden Punkte umfassen:
- Bekanntgabe der Praxisübernahme gegenüber den Patienten
- Information der Netzwerkpartner
- Übernahme von Telefonnummern
- Entwicklung eines Corporate Designs
- Veränderung der Aussenbeschilderung, des Webauftritts, von Branchendiensteinträgen
- Bekanntmachung neuer Öffnungszeiten
- rechtskonforme Übertragung der Patientendossiers
- Kanäle zur Gewinnung von Neukunden
Praxisübernahme: Abschluss der nötigen Versicherungen
Neben der privaten Absicherung und der Berufshaftpflicht müssen auch Versicherungen für die Praxis abgeschlossen werden. Bei einer Übernahme besteht oft die Möglichkeit, bestehende Verträge umschreiben zu lassen und weiterzuführen. Es lohnt sich jedoch, den Markt zu studieren und nach eventuell günstigeren Anbietern Ausschau zu halten.
Zu den wichtigen Versicherungen für Praxis und Personal gehören eine Absicherung der Praxiseinrichtung gegen Feuer, Explosion, Einbruch-Diebstahl, Wasserschäden und Glasbruch, eine Unfallversicherung, die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), Krankentagegeld (KTG) und die Personalvorsorge (BVG).
Hat man den Kaufvertrag unterschrieben und alle nötigen Versicherungen abgeschlossen, kann man den Businessplan finalisieren.
Praxisübergabe und Eröffnung
Nachdem alle wichtigen Punkte geklärt sind, erfolgt die eigentliche Übergabe der Praxis. Bei der Abnahme des Mietobjekts durch den Vermieter sollte unbedingt ein Schnittstellenprotokoll angefertigt werden. Weiterhin sollte man eine gründliche Inventur der Praxis vornehmen und alle übernommenen medizinischen Geräte auf Funktionstauglichkeit prüfen.
Nach der Übergabe steht dann auch schon die Eröffnung an. Schliesslich müssen sich die frisch selbständigen Ärztinnen und Ärzte in die Praxis einarbeiten und sich mit den organisatorischen Abläufen vertraut machen.