Die Gefässchirurgie gehört zu den neueren medizinischen Fachgebieten, obwohl die Behandlung von menschlichen Gefässen eine lange Geschichte besitzt. Sie hat sich als „Spezialgebiet“ aus der Allgemein- und Herzchirurgie entwickelt, stellt aber inzwischen ein eigenständiges Fach dar. Es gibt eine grosse Bandbreite an Gefässerkrankungen – angefangen vom Aorta-Verschluss über Krampfadern bis zur Venenthrombose. Die chirurgische Behandlung – oft mit Hilfe minimalinvasiver Verfahren – ist Aufgabe für den Facharzt Gefässchirurgie. Wir stellen die entsprechende Facharztausbildung und -tätigkeit in der Schweiz vor.
Inhaltsverzeichnis
Tätigkeiten Facharzt Gefässchirurgie
Die Gefässchirurgie befasst sich mit der operativen Behandlung von Arterien, Venen und Lymphgefässen im menschlichen Körper. Behandlungsbedarf ergibt sich durch krankhafte Gefässveränderungen und bei Gefässverletzungen, manchmal auch aufgrund von angeborenen Gefässanomalien. Fachärzte für Gefässchirurgie diagnostizieren und behandeln Krankheitsbilder wie Krampfadern, Thrombosen oder Verengungen der Halsschlagader.
In einer alternden Gesellschaft wie in der Schweiz wird die Gefässchirurgie immer wichtiger. Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit von Gefässdefekten. In Gefässen bilden sich vermehrt Ablagerungen, die zu Verengungen oder Verschlüssen führen können. Mögliche Konsequenz: ein Schlaganfall oder Herzinfarkt. Mit Eingriffen wie Setzen von Bypässen, Stents oder Katheter-Aufdehnungen ist es oft möglich, Schlimmeres zu verhindern. Eine Aufgabe für den Facharzt Gefässchirurgie.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist für Gefässchirurgen wichtig – vor allem mit Kollegen aus der Inneren Medizin, Kardiologie und Herzchirurgie. Nicht wenige Erkrankungen im Bereich anderer Fachgebiete wirken sich auch auf Gefässe aus. Typisches Beispiel: Diabetes mellitus schädigt häufig Blutgefässe (diabetische Angiopathie). Eingriffe bei Herzkranzgefässen sind traditionell eine Domäne der Herzchirurgie. Hier endet die Zuständigkeit der Gefässchirurgie.
Beschäftigungsmöglichkeiten für Gefässchirurgen bieten Krankenhäuser und Universitätskliniken sowie medizinische Zentren mit gefässmedizinischer Ausrichtung. Auch eine selbständige Tätigkeit im Rahmen einer Facharztpraxis (als Einzel- oder Gemeinschaftspraxis) ist grundsätzlich möglich. Gefässchirurgen sind in der Schweiz rar gesät – eine Folge der hohen Spezialisierung und langen Ausbildung. Die FMH-Ärztestatistik 2019 weist schweizweit 82 aktiv tätige Gefässchirurgen aus. Es handelt sich um einen Männerberuf. Der Männeranteil liegt bei 86,6 Prozent.
Ziele der Weiterbildung Facharzt Gefässchirurgie
Facharzt Gefässchirurgie wird man in der Schweiz durch eine entsprechende Weiterbildung, die mit der Facharztprüfung abgeschlossen wird. Die Ausbildung soll die erforderlichen Kenntnisse und Kompetenzen für die Facharzttätigkeit vermitteln. Nach Abschluss soll man in der Lage sein, eigenständig und selbstverantwortlich als Gefässchirurg zu arbeiten und die notwendigen Eingriffe fachgerecht auszuführen. Das gilt unabhängig davon, ob Behandlungen stationär oder ambulant, in einem Anstellungsverhältnis oder selbständig erfolgen.
Dauer und Gliederung der Weiterbildung Facharzt Gefässchirurgie
Die Facharztausbildung ist auf insgesamt sechs Jahre angelegt und gliedert sich in mehrere Teile:
- Zwei Jahre allgemeine Chirurgie (nicht-fachspezifische Weiterbildung);
- Drei Monate Intensivmedizin oder Anästhesiologie (nicht-fachspezifische Weiterbildung);
- optional bis zu ein Jahr weitere Ausbildungsteile, die auf die nicht-fachspezifische Weiterbildung anrechenbar sind. Möglich: ein Doktorandenprogramm (MD-PhD-Programm), Angiologie, interventionelle Radiologie oder Forschung im Bereich der Gefässchirurgie;
- 2,75 bis 3,75 Jahre Gefässchirurgie (fachspezifische Weiterbildung, Dauer in Abhängigkeit von den optionalen Teilen).
Die nicht-fachspezifische Weiterbildung für allgemeinen Chirurgie muss an einer entsprechend anerkannten Weiterbildungsstätte für allgemeine Chirurgie erfolgen. Analog gilt das für das vorgeschriebene Vierteljahr im Bereich Intensivmedizin oder Anästhesiologie. Ein bestandenes Basisexamen Chirurgie am Ende des chirurgischen Ausbildungsteils ist Pflicht.
Die fachspezische Weiterbildung muss an einer anerkannten Weiterbildungsstätte für Gefässchirurgie erfolgen, davon mindestens zwei Jahre an einer Weiterbildungsstätte der Kategorie A. Mindestens ein Jahr muss an einer zweiten anerkannten Weiterbildungsstätte für Gefässchirurgie absolviert werden. Es gibt in der Schweiz fünf Weiterbildungsstätten, die die Kategorie A-Anforderung erfüllen:
- Universitätsspital Basel, Univ. Zentrum für Gefässchirurgie, Basel;
- Inselspital, Universitätsklinik für Herz- und Gefässchirurgie, Herz und Gefässe, Bern;
- C H U V, Service de chirurgie vasculaire, Lausanne;
- Luzerner Kantonsspital LUKS, Gefässchirurgie, Luzern;
- Kantonsspital St. Gallen, Klinik für Gefässchirurgie, St. Gallen.
Wer im Rahmen einer Weiterbildung zum Facharzt Chirurgie bereits zwei Jahre Gefässchirurgie belegt, kann innerhalb von acht Jahren beide Facharzttitel erwerben. Man ist dann Facharzt Chirurgie und Facharzt Gefässchirurgie. Dazu müssen allerdings alle Anforderungen beider Weiterbildungen erfüllt sein.
Inhalte der Weiterbildung Facharzt Gefässchirurgie
Bei den fachspezifischen Inhalten steht der Erwerb der notwendigen gefässchirurgischen Kenntnisse und Kompetenzen im Vordergrund. Daneben gehören zu den Ausbildungsinhalten auch übergreifende Themen wie medizinische Ethik, Gesundheitsökonomie, Pharmakotherapie, Patientensicherheit und Qualitätssicherung. Der angehende Facharzt Gefässchirurgie lernt das gesamte Spektrum möglicher Gefässerkrankungen kennen. Auf dem Lehrplan steht u.a. die Diagnostik und Behandlung von Störungen, Defekten und Verletzungen im Bereich der Arterien, Venen und Lymphwege. Weitere Ausbildungsinhalte sind Untersuchungsmethoden, Indikationsstellung und gefässchirurgische Verfahren, ausserdem vaskuläre Anästhesie.
Zur Weiterbildung gehört ausserdem ein umfangreicher praktischer Operationskatalog. Er soll zur selbständigen Indikationsstellung und Planung von Operationen befähigen und sicherstellen, dass die chirurgisch-technische Seite beherrscht wird. Der Katalog umfasst durchzuführende Eingriffe in Operateur-Funktion (O) und in Assistenz-Funktion (A). Für jeden Eingriffsfall ist eine Mindestzahl an Operationen vorgeschrieben. Zum Beispiel sind mindestens 36 O-Eingriffe und 44 A-Eingriffe der Aorta sowie der Viszeral- und Beckenarterien vorgesehen. Es gibt insgesamt 20 Eingriffsarten in fünf Kategorien, zum Teil mit weiteren Unterfällen.
Facharztprüfung Gefässchirurgie
Die erfolgreich bestandene Facharztprüfung bildet die Voraussetzung für die Verleihung des Facharzttitels. Die Prüfung soll frühestens im letzten Jahr der regulär absolvierten Weiterbildung abgeschlossen werden. Sie wird unter Verantwortung der Schweizerischen Gesellschaft für Gefässchirurgie (SGG) durchgeführt. Die Facharztprüfung besteht aus zwei Teilen:
1. Europäische Prüfung:
Die Europäische Prüfung für Gefässchirurgie ist auf einen Tag angelegt und qualifiziert zum Fellow of the European Board of Vascular Surgery (FEBVS Assessment). Sie besteht aus mündlichen und praktischen Teilen. Prüfungsgegenstand u.a.: Erfahrungspraxis und eine wissenschaftliche Arbeit des Kandidaten, standardisierte klinische Beispielfälle, praktische Eingriffe am Modell.
2. Schweizerische Prüfung:
Dieser Prüfungsteil dauert einen halben Tag und findet am Klinikstandort des Kandidaten statt. Prüfungsgegenstand ist mindestens ein gefässchirurgischer Eingriff am Patienten unter Aufsicht von zwei Experten. Zulassungsvoraussetzung zu diesem Teil ist neben dem Arztdiplom das erfolgreiche Bestehen der Europäischen Prüfung sowie die Absolvierung von mindestens 75 Prozent des OP-Katalogs der Weiterbildung aus allen Behandlungsgebieten.
Eine Benotung findet nicht statt. Die Prüfungen werden jeweils nur „bestanden“ oder „nicht bestanden“. Die Facharztprüfung ist dann erfolgreich, wenn sowohl die Europäische Prüfung als auch die Schweizerische Prüfung bestanden wurde.
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