Nicht allen jungen Ärztinnen und Ärzten werden die Weiterbildungsmöglichkeiten zuteil, die ihnen eigentlich zustehen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des Verbands Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte (vsao). Bei rund der Hälfte der in Ausbildung befindlichen Teilnehmer setzt der Arbeitgeber das vorgegebene Weiterbildungskonzept nicht um.
Weiterbildungsmöglichkeiten werden oft nicht umgesetzt
Der vsao hat sich zum Ziel gesetzt, die Arbeitssituation von jungen Ärztinnen und Ärzten zu verbessern. Zu diesem Zweck hat der Verband einen Massnahmenkatalog erstellt. Ein Punkt: die ärztliche Weiterbildung fördern und den Anspruch darauf durchsetzen. Um herauszufinden, wie es überhaupt um Weiterbildungsangebote und deren Nutzung bestellt ist, hat der vsao vom 4. November bis zum 15. Dezember seine Mitglieder befragt. Die Umfrage fand online statt, teilgenommen haben 47 deutschsprachige und zehn französischsprachige Mediziner.
Mehr als die Hälfte der Teilnehmer (59,6 Prozent) befindet sich aktuell in der Weiterbildung oder hat in den letzten beiden Jahren eine Weiterbildung absolviert. Die Mehrheit dieser Gruppe (41,2 Prozent) war in einem Universitätsspital angestellt, 26,5 Prozent in einem Kantonsspital. Die weitere Auswertung der Antworten zeigt, dass bei rund der Hälfte der in Ausbildung befindlichen Ärztinnen und Ärzte die Weiterbildung nicht nach Weiterbildungskonzept umgesetzt wird. Zum Teil ist den Arbeitgebern dieses Konzept überhaupt nicht bekannt.
Zeit für strukturierte Weiterbildung fehlt
Die Weiterbildungskonzepte sehen unter anderem vor, dass jungen Ärztinnen und Ärzten pro Woche mindestens vier Stunden Zeit für die strukturierte Weiterbildung zur Verfügung stehen. Die vorgesehene Stundenanzahl wird jedoch oft nicht eingehalten. Die Mehrheit der Befragten kommt nur auf eine bis drei Stunden Weiterbildung pro Woche.
Nach den Gründen befragt, berichteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter anderem, das teilweise gar nicht ausreichend Weiterbildungsveranstaltungen angeboten würden. Ausserdem könne man aufgrund der hohen Arbeitsbelastung häufig nicht an internen Fortbildungen teilnehmen. In ihrer Arbeitszeit müssen viele Befragte vorrangig anstehende medizinische Aufgaben erledigen. Der Weiterbildungsaspekt kommt dabei vielfach zu kurz. Wer dennoch regelmässig an Fortbildungen teilnehmen möchte, muss dafür Überstunden in Kauf nehmen. Einige Befragte kritisieren zudem, dass in der Arbeitszeit keine Zeiträume für das Studieren von Fachlektüre eingeplant sind. Die Schichtarbeit auf der Notfallstation erschwert eine strukturierte Weiterbildung zusätzlich.
Kritik: Vorgesetzte nehmen Weiterbildungsmöglichkeiten nicht ernst genug
Interne Weiterbildungsmöglichkeiten werden vor allem in Form von Vorträgen (79,3 Prozent), Bedside teaching (51,7 Prozent) und internen Online-Lösungen (48,3 Prozent) angeboten. Viele Befragte berichten jedoch, dass ihre Vorgesetzte den Weiterbildungsaspekt nicht ernst genug nehmen würden. Das Angebot sei zwar oft vorhanden. Allerdings dürfen die jungen Ärztinnen und Ärzte in Vorträgen zum Beispiel ihr Telefon nicht ausstellen. In Folge werden sie häufig aus der Veranstaltung geholt. Andere Befragte geben an, dass Veranstaltungen oft ausfallen, da ihre Chefs „Besseres“ zu tun hätten.
Zu beachten ist, dass die Corona-Pandemie zusätzlich negative Auswirkungen auf die Weiterbildungsmöglichkeiten hatte. Viele Angebote wie Kolloquien und Präsentationen mussten gestrichen werden. Doch Corona ist nicht längst nicht der einzige Grund, warum die Weiterbildung vielerorts nicht den Vorgaben entspricht. Ein Umfrageteilnehmer mutmasst sogar, dass die Weiterbildung eher ein „Nebenprodukt“ der Anstellung als Assistenzärztin oder -arzt zu sein scheint. Andere Befragte bemängeln, dass ihre Vorgesetzten nur wenig Interesse für die Weiterbildung zeigen oder dass sie zu wenig Betreuung erhielten.
Vorgaben bei externen Weiterbildungsveranstaltungen werden besser eingehalten
Besser sieht die Situation bei den externen Weiterbildungsmöglichkeiten aus. Den meisten Befragten (13 von 28) wurden fünf Tage für externe Fortbildungsveranstaltungen im Jahr bewilligt. Einige Arbeitgeber gehen sogar darüber hinaus. So berichtet ein Umfrageteilnehmer, dass Ärztinnen und Ärzte bei seinem Arbeitgeber bis zu zehn Tage für externe Weiterbildungen in Anspruch nehmen dürfen.
Insgesamt beurteilen 42,9 Prozent der Befragten ihre Weiterbildung als „gut“. 25 Prozent bezeichnen sie als „mittelmässig“, 17,9 Prozent halten sie für „schlecht“. Jeweils 7,1 Prozent bewerten ihre Weiterbildung entweder als „sehr gut“ oder als „sehr schlecht“.