Die Schweizer Ärzteschaft wird (noch) weiblicher. Laut Ärztestatistik 2021 hat sich im vergangenen Jahr die Zahl der Ärztinnen im Land um 694 erhöht. Der Zuwachs bei den männlichen Kollegen betrug unter dem Strich mal gerade 26 Ärzte. Oder anders ausgedrückt: Ärztinnen waren zu 96 Prozent dafür verantwortlich, dass es 2021 in der Schweiz mehr Medizinerinnen und Mediziner gab. Der Frauenanteil an der Ärzteschaft erhöhte sich damit auf 45 Prozent.
Insgesamt waren in der Schweiz Ende 2021 39.222 Ärztinnen und Ärzte tätig. Der Frauenanteil ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Die Ärztestatistik 2014 wies noch einen weiblichen Anteil von 39,6 Prozent aus. Seither hat sich die „Frauenquote“ von Jahr zu Jahr erhöht. Betrachtet man den Zeitraum 2014 bis 2021, verzeichnete die Schweizer Ärzteschaft insgesamt einen Zuwachs von 4.874 Personen. Davon waren 4.010 oder 82,3 Prozent Ärztinnen und 864 oder 17,7 Prozent Ärzte.
Frauenfächer und Männerdomänen
Bezogen auf die einzelnen medizinischen Fachgebiete findet man bei der Geschlechterverteilung erhebliche Unterschiede. Es gibt Fächer mit annähernd durchschnittlicher Verteilung sowie ausgesprochene Frauen- und Männerdomänen. Das am häufigsten vertretene Fach in der Schweizer Ärzteschaft ist die Allgemeine Inneren Medizin. Der Anteil entsprechend ausgebildeter Ärztinnen und Ärzte an der gesamten Schweizer Ärzteschaft beträgt rund 21,5 Prozent. Jede/r fünfte Mediziner/in in der Schweiz ist damit in diesem Fach qualifiziert. Der Frauenanteil von 45,4 Prozent in der Allgemeinen Inneren Medizin weicht nur wenige zehntel Prozentpunkte von ihrem Anteil an der gesamten Ärzteschaft ab.
Fachgebiete mit überdurchschnittlich einem hohen weiblichen Anteil sind – wenig überraschend – Gynäkologie und Geburtshilfe, Kinder- und Jugendmedizin sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie. Hier beträgt der Ärztinnen-Anteil jeweils rund zwei Drittel. Mehr als 50 Prozent Frauen findet man auch in den Fächern Dermatologie und Venerologie sowie Pathologie und Rechtsmedizin. Dem stehen ausgesprochene „Männerfächer“ gegenüber. Dazu zählen nahezu alle chirurgischen Fachgebiete. Männeranteile liegen in diesen Fächern zwischen 75 Prozent und 90 Prozent. Männerdomänen sind auch die Angiologie, die Gastroenterologie, die Nuklearmedizin, die Tropen- und Reisemedizin sowie die Urologie. Hier beträgt der männliche Anteil etwa drei Viertel.
Ärztestatistik: Alte Ärzte – junge Ärztinnen
Bemerkenswerte Erkenntnisse liefert eine Analyse der Altersstruktur der Schweizer Ärzteschaft. Hier gibt es signifikante Unterschiede zwischen Ärztinnen und Ärzten. Die männliche Ärzteschaft weist eine starke Überalterung auf. Die zahlenmäßig stärksten Altersgruppen sind die ab 55 Jahren aufwärts. Demgegenüber wird die Zahl der Ärzte in den unteren Altersgruppen immer geringer, je jünger die Altersklasse ist. Bei den Ärztinnen sind die zahlenmäßig stärksten Altersgruppen die zwischen 40 und 49 Jahren – also berufsmäßig gesehen das „mittlere Alter“. Ältere und jüngere Altersgruppen sind dagegen zahlenmäßig kleiner.
Vergleicht man die Verteilung der Geschlechter in den einzelnen Altersgruppen, lässt sich nur für die Altersgruppe 45 bis 49 Jahre ein annähernd gleicher Anteil von Ärztinnen und Ärzten feststellen. In allen älteren Altersgruppen überwiegen die Männer – je älter desto stärker. In den jüngeren Altersgruppen verhält es sich genau umgekehrt. Diese Altersverteilung in der Ärztestatistik erklärt auch den im Zeitablauf zunehmenden Anteil von Ärztinnen an der gesamten Ärzteschaft. Wer vom ärztlichen Personal in den Ruhestand geht, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Mann. Der Nachwuchs ist dagegen überwiegend weiblich. Eine Verschiebung der Geschlechterverteilung im Zeitablauf folgt daraus als logische Konsequenz. Die Schweizer Ärzteschaft wird auch in den kommenden Jahren weiblicher werden und in wenigen Jahren dürfte der Ärztinnen-Anteil überwiegen.
In führenden Positionen mehr Männer als Frauen
Neben dem altersmäßigen Ungleichgewicht gibt es auch noch ein hierarchisches Ungleichgewicht. Die meisten medizinischen Funktionsträger in leitender Position sind Männer, während „nach unten“ der Frauenanteil immer größer wird. So sind 60 Prozent des medizinischen Personals in Assistenzfunktion Ärztinnen. Bei oberärztlichen Funktionen besteht annähernd eine Gleichverteilung. Schaut man auf leitende Funktionen, beträgt der Ärztinnen-Anteil dagegen nur 30 Prozent, in chefärztlichen Funktionen gar nur 15 Prozent.
Diese „Schieflage“ korrespondiert mit der Altersstruktur der Ärzteschaft. Da man üblicherweise erst mit fortgeschrittener Berufserfahrung und nicht mehr ganz jung verantwortungsvollere Positionen übernimmt, wirkt sich der höhere männliche Anteil in den höheren Altersgruppen entsprechend aus. Inwieweit bei Stellenbesetzungen das Geschlecht eine Rolle spielt und Männer Vorteile besitzen, ist ein anderes Thema. Das Schweizer Gleichstellungsrecht verbietet zumindest geschlechtsabhängige Diskriminierungen und verlangt die Gleichbehandlung von Mann und Frau.
In der Schweiz droht „Ärzteschwund“
Noch sorgte bisher das starke Interesse von Frauen am Fach Medizin für eine wachsende Ärzteschaft in der Schweiz. Das dürfte allerdings in Zukunft nicht ausreichen, um das altersbedingte Ausscheiden von Ärzten aus dem Beruf auszugleichen. Die Alterspyramide der Schweizer Ärzteschaft verjüngt sich nach unten dramatisch. Es gibt weniger aktive Ärztinnen und Ärzte unter 34 als über 65 Jahren. „Ärzteschwund“ ist damit vorprogrammiert, wenn kein Ausgleich von anderer Seite – zum Beispiel aus dem Ausland – erfolgt.