Ab dem 1. Juli 2022 tritt in der Schweiz das sogenannte Anordnungsmodell in Kraft. Damit wird die psychologische Psychotherapie von der Grundversicherung übernommen, sofern sie auf Anordnung eines Arztes oder einer Ärztin erfolgt. Für Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die bislang für delegierte Psychotherapie vergütet werden, gilt eine Übergangsregelung bis zum 31. Dezember 2022. Welche Voraussetzungen für die Kostenübernahme erfüllt werden müssen und andere wichtige Fragen klärt dieser Artikel.
Anordnungsmodell tritt zum 1. Juli 2022 in Kraft
Aktuell erstattet die Grundversicherung Leistungen von psychologischen Psychotherapeutinnen und -therapeuten nur, wenn diese bei einem Arzt oder einer Ärztin angestellt sind und ihre Tätigkeit unter dessen Aufsicht verrichten. Dieses Prinzip ist als delegierte Psychotherapie bekannt. Zum 19. März 2022 hat der Bundesrat entschieden, diesen Modus zu ändern. Die delegierte Psychotherapie wird durch das sogenannte Anordnungsmodell ersetzt. Psychologische Psychotherapeut/-innen können ihre Leistungen ab dem 1. Juli 2022 direkt über die obligatorische Krankenversicherung (OKP) abrechnen, sofern diese Leistungen auf ärztliche Anordnung erfolgen. Der Bundesrat hat damit einer Forderung der Psychologieverbände umgesetzt.
Anordnungsmodell: Welche Voraussetzungen müssen Psychotherapeut/-innen erfüllen?
Um nach dem neuen Modell abrechnen zu können, müssen psychologische Psychotherapeut/-innen die folgenden Voraussetzungen erfüllen:
- Sie müssen eine kantonale Bewilligung zur Berufsausübung in der Psychotherapie gemäss Artikel 22 des Psychologieberufsgesetztes (PsyG) vorweisen und dementsprechend einen eidgenössischen oder anerkannten ausländischen Weiterbildungstitel im Bereich der Psychotherapie besitzen.
- Sie müssen über mindestens drei Jahre klinische psychotherapeutische Erfahrung verfügen. Anrechenbar sind die zwei Jahre klinische Praxistätigkeit, die während der Weiterbildung erbracht werden müssen, sowie ein zusätzliches Jahr vor oder nach Erwerb des Weiterbildungstitels. Dieses dritte Jahr muss in einer psychotherapeutisch-psychiatrischen Einrichtung mit Anerkennung des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF) absolviert werden.
- Sie müssen ihren Beruf selbstständig und auf eigene Rechnung ausüben.
Für psychologische Psychotherapeut/-innen, die ihre eidgenössische Anerkennung vor dem 1. Juli 2022 erworben haben, gelten hinsichtlich Punkt zwei Übergangsbestimmungen. Bevor sie mit der OKP abrechnen können, müssen sie drei Jahre psychotherapeutische Praxis mit Subervision absolvieren. Für die Weiterbildungsstätte gelten allerdings keine besonderen Anforderungen.
Was ändert sich in der psychotherapeutischen Weiterbildung?
Auf die Struktur und Inhalte der akkreditierten Weiterbildungsgänge im Bereich Psychotherapie hat die Einführung des neuen Modells keine Auswirkungen.
Anordnungsmodell: Wie viele Sitzungen werden erstattet?
Nach ärztlicher Anordnung erstattet die OKP zunächst 15 Sitzungen. Bei Bedarf und nach Absprache mit der verordnenden ärztlichen Fachperson sind weitere 15 Sitzungen möglich. Anschliessend muss eine Kostengutsprache des Versicherers eingeholt werden. Der Antrag zur Fortsetzung der psychotherapeutischen Behandlung ist durch den anordnenden Arzt oder die Ärztin zu stellen. Zudem ist eine Fallbeurteilung durch einen psychiatrisch tätigen Mediziner notwendig.
Welche Leistungen übernimmt die OKP?
Welche Leistungen übernommen werden, ist in Artikel 2 der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) festgelegt. Die OKP erstattet demnach Kosten für Leistungen der ärztlichen Psychotherapie, wenn die Wirksamkeit der Methoden wissenschaftlich belegt ist. Dazu gehören vorrangig Methoden der Gesprächstherapie, aber auch die medikamentöse Therapie ist, falls erforderlich, abrechenbar. Eingeschlossen sind auch Erstgespräche mit anamnetischen und diagnostischen Elementen.
Neben der eigentlichen Psychotherapie werden auch Koordinationsleistungen übernommen, sofern diese im Zusammenhang mit der Psychotherapie stehen und die Abstimmung mit dem anordnenden Arzt oder der Ärztin betreffen oder zur Koordination mit weiteren in die Behandlung involvierten Personen dienen.
Wer darf die nicht-ärztliche Psychotherapie anordnen?
Damit psychologische Psychotherapeut/-innen nach Anordnungsmodell abrechnen dürfen, müssen ihre Leistungen von einer ärztlichen Fachpersonen angeordnet werden. Die Anordnungsbefugnis ist beschränkt auf Ärztinnen und Ärzte der Grundversorgung, der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung.
Kriseninterventionen sowie Kurztherapien bei neu diagnostizierten schweren Erkrankungen oder in lebensbedrohlichen Situationen können auch von Fachärztinnen und -ärzten angeordnet werden. In diesen Fällen übernimmt die OKP maximal zehn Sitzungen.
Übergangsregelung für delegiert arbeitende Psychotherapeut/-innen
Wer bislang nach dem Prinzip der delegierten Psychotherapie abrechnet, ist dazu noch bis sechs Monate nach dem Inkrafttreten des Anordnungsmodells berechtigt. Delegiert arbeitende Therapeut/-innen, welche die Zulassungsvoraussetzungen für das neue Modell nicht erfüllen, können also noch bis zum 31. Dezember 2022 nach altem Modell tätig sein.