Ein Viertel der in der Schweiz berufstätigen Ärzte/-innen ist älter als 60 Jahre, 12 Prozent haben sogar das Rentenalter überschritten. Das zeigt die Ärztestatistik 2021 des Berufsverbands FMH. Im Vergleich zu vorangegangenen Jahren ist die Zahl der Ärzte/-innen im Seniorenalter deutlich gestiegen. Vorschläge für ein generelles Alterslimit stossen bei der Schweizer Ärzteschaft auf wenig Anklang.
Selbst 90-jährige Ärzte/-innen sind noch berufstätig
Knapp 40‘000 Ärzte/-innen waren im Jahr 2021 in der Schweiz berufstätig. Das Durchschnittsalter liegt bei 50,0 Jahren. 4‘800 Mediziner/innen, umgerechnet 12 Prozent, befinden sich bereits im Rentenalter. Fast 900 berufstätige Ärzte/-innen sind über 75 Jahre alt, 13 haben sogar schon ihren 90. Geburtstag überschritten.
Das Durchschnittsalter der niedergelassenen Ärzte/-innen beträgt 54,6 Jahre. Damit sind sie gut zehn Jahre älter als ihre Kollegen/-innen im Spital, die im Schnitt 44,3 Jahre alt sind. Der FMH führt diesen Unterschied darauf zurück, dass der medizinische Nachwuchs seine Weiterbildung vorwiegend im Spitalsektor absolviert. Schlüsselt man die Altersstruktur der niedergelassenen Mediziner/innen weiter auf, zeigt sich, dass die ambulant tätigen Grundversorger/innen mit 53,9 Jahren etwas jünger sind als die Spezialisten/-innen mit einem Durchschnittsalter von 55,3 Jahren.
Assistenzärzte/-ärztinnen in den Spitälern sind im Schnitt 35,9 Jahre alt, Oberärzte/-innen 44,6 Jahre, leitende Ärzte/-innen 52,3 Jahre und Chefärzte/-innen 55,9 Jahre.
Neues Phänomen, aber international keine Ausnahme
Der hohe Anteil an Ärzten/-innen im Rentenalter ist ein neues Phänomen. Ein Rückblick auf die vergangenen zehn Jahre zeigt: Im Jahr 2011 gab es noch gar keine Ärzte/-innen, die nach ihrem 85. Geburtstag noch berufstätig waren. Weniger als 2‘000 Mediziner/innen hatten damals das 65. Lebensjahr überschritten.
Im internationalen Vergleich bildet die Schweiz mit dieser Altersstruktur allerdings keine Ausnahme. In den USA sind rund 30 Prozent der berufstätigen Ärzte/-innen im Rentenalter. In Deutschland liegt der Anteil von Mediziner/innen über 65 dagegen nur bei 8,5 Prozent.
Rentenalter: Altersgrenzen finden unter Ärzte/-innen keinen Anklang
Allgemein gültige Altersgrenzen für Ärzte/-innen gibt es in der Schweiz nicht. Öffentliche Spitäler schicken das ärztliche Personal zwar mit 65 bis 67 Jahren in Pension, viele Ärzte/-innen wechseln daraufhin jedoch in eine Privatpraxis. Vorschläge für die Einführung eines Alterslimits stossen bei der Schweizer Ärzteschaft auf wenig Begeisterung. Im Jahr 2015 etwa regte die grünliberale Nationalrätin Margrit Kessler an, Chirurgen/-innen und invasiv tätige Ärzte/-innen ab dem 60. Geburtstag einer Gesundheitsprüfung zu unterziehen. Dieser Vorstoss wurde vom Bundesrat abgelehnt, unter anderem mit der Begründung, dass die gesundheitliche und fachliche Entwicklung von Ärzten/-innen äusserst individuell verlaufe.
Die Bewilligungsvoraussetzungen und die Einhaltung der Berufsvorschriften für die Tätigkeit als Arzt/Ärztin zu überprüfen, fällt in die Zuständigkeit der Kantone. In einigen Kantonen gelten Vorgaben für ältere Mediziner/innen, die weiterhin berufstätig bleiben möchten. So müssen zum Beispiel in Zürich Ärzte/-innen ab dem 70. Geburtstag ihre Berufsausübungsbewilligung alle drei Jahre erneuern, um ihre Praxis weiterzuführen. Ein Vorschlag für eine ähnliches Modell wurde vom Kanton Aargau und dem Aargauischen Ärzteverband im Jahr 2019 abgelehnt. Zu diesem Zeitpunkt war jede/r sechste Hausarzt/-ärztin in der Schweiz älter als 65 Jahre, der älteste Hausarzt im Aargau war bereits 87. Für den Aargauer Politik kein Problem: Grossräte unterschiedlicher Parteien sprachen sich gegen eine generelle Altersgrenze aus, unter anderem, da Hausärzte/-innen viel Erfahrung benötigen.
Rentenalter: Wann sind Ärzte/-innen zu alt zum Arbeiten?
Angesichts des Fachkräftemangels im Gesundheitssektor erscheint es sinnvoll, wenn Ärzte/-innen auch nach Eintritt ins Rentenalter noch weiter praktizieren. Obligatorische Alterstests oder gar fixe Altersgrenzen halten die meisten Mediziner/innen für diskriminierend. Ihre beruflichen Fähigkeiten müssen sie ohnehin laufend unter Beweis stellen, unabhängig vom biologischen Alter. Als unbedenklich wird das Praktizieren im hohen Alter auch angesehen, da in der Schweiz freie Arztwahl herrscht. Sind Patienten/-innen mit den Leistungen ihres Arztes/ihrer Ärztin nicht zufrieden, können sie sich jederzeit für eine andere Praxis entscheiden.