Der erste Nachtdienst steht an. Für Assistenzärzte/-innen bedeutet das häufig Stress. Zum ersten Mal sind sie während der Nacht allein auf Station, müssen die Verantwortung für Patienten/-innen übernehmen und sich mit den Fragen des Pflegepersonals auseinandersetzen. Kein Wunder, dass bei Vielen bereits der Gedanke an den ersten Dienst Herzklopfen und schweißnasse Hände auslöst. Die folgenden Tipps helfen jungen Ärzten/-innen, ihre Ängste abzubauen und auch in stressigen Situationen gelassener zu bleiben.
Nachtdienst: Eine Stresssituation für viele junge Ärzte/-innen
Während des Nachtdienstes sind Assistenzärzte/-innen oftmals die einzigen medizinischen Ansprechpartner auf der Station. Diese große Verantwortung kann verunsichern und Stress auslösen. In Stresssituationen kommt es zu einer typischen körperlichen Reaktion: Der Sympathikus wird aktiviert, der Körper schüttet Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin aus, die Herzfrequenz steigt. Diese Reaktion dient dazu, den Körper auf Angriff oder Flucht vorzubereiten. Manchmal führt sie aber auch zur Schockstarre. Bei medizinischen Notfällen helfen weder Flucht noch Angriff oder Starre weiter.
Damit man die Stressreaktion überwinden und auf herausfordernde Situationen mit einem kühlen Kopf reagieren kann, ist vor allem eine gute Vorbereitung wichtig. Assistenzärzte/-innen hilft zudem das Wissen, dass sie nicht allein sind: Wissen sie nicht mehr weiter, können Sie sich immer noch an die erfahrenen Kollegen/-innen im Hintergrunddienst wenden.
Folgende Tipps nehmen die Angst vor dem ersten Nachtdienst:
Vorbereitung nimmt Stress: Erfahrene Kollegen/-innen begleiten
Um die Abläufe während der Nachtschicht kennen zu lernen, empfiehlt es sich, zunächst ein/e erfahrene/n Kollegen/-in zu begleiten. Ist das nicht möglich, sollte man sich zumindest erkundigen, welche typischen Aufgaben und Fälle im jeweiligen Fachbereich zu erwarten sind, und die grundlegenden Behandlungsschritte üben. Sinnvoll ist es zudem, sich im Vorfeld mit den gängigen Computersystemen auf Station auseinanderzusetzen.
Weiterhin sollte man sich informieren, mit wem man in der betreffenden Nacht eigentlich Dienst hat. Schließt man vorher Bekanntschaft mit den Kollegen/-innen, kann das bereits einen Teil der Aufregung nehmen.
Eigenen Tagesrhythmus kennen
Nachtarbeit bringt den gewohnten Tagesablauf durcheinander. Das macht sich schnell körperlich bemerkbar. Zur Vorbereitung auf den ersten Nachtdienst gehört es daher auch, sich mit dem eigenen Biorhythmus auseinanderzusetzen. Einige Ärzte/-innen schwören darauf, am vorigen Tag früher ins Bett zu gehen. Andere fühlen sich dagegen fitter, wenn am Tag zuvor länger aufbleiben und später aufstehen. Wieder andere verändern ihre Tagesroutine nicht.
Notizbuch mit Checklisten anlegen
Zu den wichtigsten Hilfsmitteln während des Nachtdienstes zählt ein Notizbuch mit relevanten Informationen. Eine solche Checkliste enthält zum Beispiel die folgenden Punkte:
- Die wichtigsten Telefonnummern wie die Nummer der Notaufnahme, des/der diensthabenden Chirurgen/-in und des/der Hintergrund-Arztes/-Ärztin
- Eine Liste der typischen Situationen und Krankheitsbilder, mit denen man konfrontiert werden kann, inklusive der notwendigen Handlungsschritte und Medikamente
- Passwörter für Computersysteme
- Aufbewahrungsorte für alle notwendigen Utensilien
Einige Arbeitgeber bereiten solche Listen vor. Eventuell besteht auch die Möglichkeit, eine Checkliste von einem/-r Kollegen/-in zu kopieren. Sinnvoll ist es weiterhin, schnellen Zugriff auf eine Mediziner-App oder eine Suchmaschine zu haben. Wer weiß, wo man bei Unsicherheiten nachschlagen kann, fühlt sich im Ernstfall sicherer.
Ausreichend essen und trinken
In stressigen Situationen vergessen viele Menschen, auf ihre Ernährung zu achten. Insbesondere eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr wird oft vernachlässigt. Flüssigkeitsmangel führt allerdings zu Kopfschmerzen und Konzentrationsproblemen. Während des Nachtdienstes sollte man daher genügend Wasser trinken. Eine Tasse Kaffee hilft dabei, wach zu bleiben. Auf Energy-Drinks sollte man dagegen lieber verzichten.
Empfehlenswert ist es, mehrere kleine und leichte Snacks zuzubereiten, auf die man während einer kurzen Verschnaufpause zurückgreifen kann. Gut eignen sich Obst und Gemüse, Müsliriegel und Nüsse. Sehr fettige Speisen liegen schwer im Magen und machen müde.
Kurze Pausen zum Ausruhen nutzen
Lange Auszeiten stehen während eines Nachtdienstes nicht unbedingt zur Verfügung. Am besten nutzt man daher kurze Pausen, um ein wenig Ruhe zu finden. Dehnübungen und tiefes Durchatmen, nach Möglichkeit im Freien, machen bei Durchhängern wieder fit. Einige Mediziner/innen legen auch ein kurzes Power-Napping ein. Die Fähigkeit, innerhalb weniger Minuten einzuschlafen und nach einem kurzen Nickerchen erfrischt aufzuwachen, ist allerdings nicht jedem/-r gegeben.
Prioritäten setzen
Um in stressigen Situationen nicht den Überblick zu verlieren, sollte man Prioritäten setzen. Strategien zum Priorisieren lassen sich bereits vor dem ersten Nachtdienst erlernen. Eine bekannte Methode ist das Eisenhower-Prinzip. Dabei werden Aufgaben folgendermaßen eingeteilt:
- wichtig und dringend = sofort erledigen
- wichtig und weniger dringend = terminieren und selbst erledigen
- nicht wichtig, aber dringend = delegieren
- nicht wichtig und nicht dringend = nicht bearbeiten
Stressige Situationen meistern
Die körperliche Stressreaktion lässt sich selbst durch gute Vorbereitung nicht ganz vermeiden. Wer das versucht, macht sich nur noch mehr Druck und wird umso gestresster. Möchte man in stressigen Situationen gelassener bleiben, sollte man sich bewusst mit seinen eigenen Reaktionen auseinandersetzen. Wird man bei Stress eher gereizt? Oder möchte man sich aus der Situation herausziehen und die Flucht antreten? Erstarrt man vielleicht und alles medizinische Wissen scheint plötzlich vergessen? Wer seine Reaktionen kennt, kann gezielt gegensteuern.
Nachtdienst: Wann sollte man den Hintergrund anrufen?
Schließlich stellt sich noch die Frage, wann man sich an den/die Hintergrund-Arzt/-Ärztin wenden sollte. Viele Assistenzärzte/-innen möchten die Kollegen/-innen in Rufbereitschaft nicht unnötig aus dem Bett klingeln. Die Erfahrung zeigt jedoch: Denkt man über einen Anruf nach, ist dieser meistens auch gerechtfertigt. Auch in diesem Fall empfiehlt es sich, das Priorisierung-Prinzip anzuwenden. In wichtigen und dringenden Fällen erfolgt der Anruf sofort. Handelt es sich um wichtige, aber weniger dringende Fragen, kann man diese sammeln und alle bei einem Anruf klären.