Der Personalmangel im Gesundheitswesen hat negative Auswirkungen für Patienten/-innen, aber auch auf die physische und psychische Gesundheit der Ärzteschaft. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des Berufsverbands FMH unter rund 1’700 Schweizer Ärzten/-innen. Zwei Drittel der Befragten halten den Fachkräftemangel für ein gravierendes Problem.
Zwei Drittel der Ärzte/-innen halten Fachkräftemangel für gravierendes Problem
In der Schweiz werden derzeit fast 5’000 Ärzte/-innen und mehr als 15’000 Pflegekräfte gesucht. Die jährliche Umfrage der FMH, durchgeführt vom Forschungsinstitut gfs.bern, geht unter anderem der Frage nach, welche Auswirkungen der Fachkräftemangel aufs Gesundheitswesen und den Arbeitsalltag der Ärzteschaft hat. An der diesjährigen Umfrage vom 2. Mai bis zum 16. Juni 2023 haben insgesamt 1’692 Schweizer Ärzte/-innen teilgenommen. Davon arbeiten 1’174 im akutsomatischen Spitalbereich, 94 in psychiatrischen Kliniken, 57 in Rehabilitationskliniken und 367 im praxisambulanten Bereich.
Für eine klare Mehrheit der Befragten stellt der Fachkräftemangel ein gravierendes Problem für das Gesundheitswesen dar. Die Befragten konnten die Situation anhand einer Skala von null (kein Problem) bis zehn (sehr starkes Problem) bewerten. Mehr als zwei Drittel der Befragten gab für den Fachkräftemangel einen Wert zwischen 6 und 10 an. Über 40 Prozent wählten sogar einen Wert zwischen 8 und 10.
Personalmangel hat negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Ärzteschaft
Der Personalmangel wirkt sich negativ auf die Gesundheit der Ärzte/-innen aus. Viele Befragte geben an, dass sich ihr eigenes körperliches und psychisches Wohlbefinden verschlechtert. Zudem beobachten sie, dass es vermehrt zu Kündigungen aufgrund von Überlastung kommt. Rund 40 Prozent der Befragten aus der Rehabilitation und fast die Hälfte der in der Akutsomatik tätigen Ärzte/-innen berichten zudem, dass aufgrund des Fachkräftemangels in den vergangenen 12 Monaten Weiterbildungen gestrichen oder Forschungstätigkeiten abgebaut wurden.
Für besonders bedenklich hält die FMH die Tatsache, dass elf Prozent der Befragten aus der Akutsomatik und 25 Prozent der praxisambulant tätigen Ärzte/-innen davon ausgehen, ihre Tätigkeit in den nächsten fünf Jahren aufzugeben. Bei den praxisambulant tätigen Medizinern/-innen liegt die Berufsaufgabe hauptsächlich im bevorstehenden Ruhestand begründet. In der Akutsomatik und Psychiatrie arbeitende Ärzte/-innen nennen jedoch auch das hohe Arbeitspensum und die langen Arbeitszeiten als Grund, warum sie aus dem Beruf aussteigen wollen.
Fachkräftemangel führt zu längeren Wartezeiten
Die negativen Folgen des Fachkräftemangels bekommen auch die Patienten/-innen zu spüren. So berichten 74 Prozent der Befragten aus der Akutsomatik, dass Patienten/-innen länger auf ihre Behandlung warten müssen. Im praxisambulanten Bereich berichten 70 Prozent der Befragten von längeren Wartezeiten, in der Psychiatrie sogar 80 Prozent. Ein Fünftel der praxisambulant tätigen Ärzteschaft sagt aus, dass Patienten/-innen im Durchschnitt länger als einen Monat auf ihren Termin warten müssen. In der Akutsomatik geben 29 Prozent der Befragten an, dass die durchschnittliche Wartezeit mehr als einen Monat beträgt, in der Psychiatrie sind es 47 Prozent der Befragten.
42 Prozent der Befragten aus der Akutsomatik berichten weiterhin, dass sich die Anzahl an Behandlungsfehlern aufgrund der schlechten Personalausstattung erhöht hat. Im praxisambulanten Bereich sagen das immerhin 25 Prozent der Befragten.
Fachkräftemangel: Situation verschärft sich
Die Schweizer Ärzteschaft erwartet, dass sich der Personalmangel im Gesundheitswesen in Zukunft noch verschärfen wird. Der Grund: Viele Ärzte/-innen stehen aktuell kurz vor der Pensionierung. Seit der Corona-Pandemie geht ein steigender Anteil der Befragten davon aus, dass die Rekrutierung von Nachwuchskräften schwieriger wird. In der Akutsomatik stimmen 87 Prozent der Ärzte/-innen dieser Aussage zu, in der Praxisambulanz 89 Prozent. Eine Ursache ist das hohe Arbeitspensum. Ärzte/-innen aus der Babyboomer-Generation bewältigen ein höheres Pensum als der medizinische Nachwuchs, der Wert auf gesetzeskonforme Arbeitszeiten und die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit legt.
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, fordert die FMH zum einen, die Zahl der Studienplätze zu erhöhen. Zum anderen sollen auch die Arbeitsbedingungen für die Ärzteschaft verbessert werden. Flexible Arbeitszeitmodelle und eine Reduzierung der administrativen Aufgaben sollen junge Ärzte/-innen dazu bewegen, im Beruf zu bleiben und zugleich gesunde Ärzte/-innen im Ruhestand dazu motivieren, weiterzuarbeiten.