Für Spitäler stellt der korrekte Umgang mit den Arbeitszeiten von Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzten eine Herausforderung dar. Als Hilfestellung für das komplexe Thema hat der vsao vom renommierten Arbeitsrechtexperten Prof. em. Dr. jur. Dr. h.c. Thomas Geiser zwei Gutachten erstellen lassen. Eines dieser Gutachten geht auf Fragen zum allgemeinen Umgang mit Arbeits- und Ruhezeiten für medizinisches Personal ein, das andere speziell auf Bestimmungen für schwangere und stillende Frauen.
Arbeitszeitgesetz legt Höchstarbeitszeit von 50 Wochenstunden fest
Assistenzärzte unterstehen in der Schweiz immer dem Arbeitsgesetz. Für Oberärzte gelten die dort festgelegten Bestimmungen zu Arbeits- und Ruhezeiten, wenn der Arbeitgeber unter das Arbeitsgesetz fällt. Das ist für die meisten Spitäler in der Schweiz der Fall. Das Arbeitsgesetz legt die gesetzliche Höchstarbeitszeit für Assistenz- und Oberärzte auf 50 Stunden pro Woche fest. Eine Überschreitung ist nur in Ausnahmefällen gestattet. Geht die tatsächliche Arbeitszeit über die gesetzliche Höchstarbeitszeit hinaus, wird dies als Überzeit bezeichnet.
Wie eine Umfrage der NZZ unter 4‘500 Assistenzärzten aus der Deutschschweiz zeigt, sind Überzeiten keine Seltenheit: 40 Prozent der Befragten arbeiten länger als elf Stunden am Tag und übersteigen damit die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit.
Der richtige Umgang mit Überzeit im Spital
Überzeiten müssen vom Arbeitgeber kompensiert werden – entweder mit Freizeit oder mit einer Vergütung zum Ansatz von 125 Prozent. Spitäler dürfen aber nicht eigenwillig entscheiden, auf welche Weise und wann sie die Überzeiten ausgleichen. Die Kompensation bedarf stets der Zustimmung der betroffenen Ärzte. Geiser weist in seinem Gutachten für den vsao darauf hin, dass Arbeitsvertragsklauseln, die dem Arbeitgeber das Recht zur einseitigen Kompensation von Überzeiten einräumen, ebenfalls unzulässig sind.
Die Kompensation muss innert 14 Tagen erfolgen. Sind beide Parteien einverstanden, darf die Frist auf zwölf Monate verlängert werden. Erfolgt die Kompensation durch Freizeit, muss es sich um echte freie Zeit handeln. Pikettdienste oder ähnliches sind zum Ausgleich von Überzeiten nicht gestattet. Weiterhin ist es unzulässig, Überzeit zum Ausgleich von Minuszeit anzuordnen. Überzeiten dürfen jedoch mit später anfallenden Minuszeiten ausgeglichen werden.
Spitäler sind dazu verpflichtet, die Arbeitszeiten des medizinischen Personals inklusive Pausen zu dokumentieren. Aus dieser Dokumentation muss auch die geleistete Überzeit sowie die durch Freizeit erfolgte Kompensation ersichtlich werden. Ärzte haben Anspruch, sich jederzeit über die angefallene Überzeit informieren zu lassen.
Arbeitszeiten bei schwangeren und stillenden Frauen
Für schwangere und stillende Frauen gelten im Arbeitsgesetz gesonderte Bestimmungen. Sie dürfen maximal neun Stunden am Tag arbeiten. Ausnahmeregelungen sieht das Gesetz nicht vor. In der Praxis arbeiten schwangere Ärzte dennoch oft länger als die gesetzliche vorgegebene Höchstzeit. Was müssen Spitäler in diesem Fall beachten?
Geiser stellt in seinem Gutachten zur Arbeitszeit von schwangeren und stillenden Frauen die folgenden Punkte klar:
- Sieht der Arbeitsvertrag eine 50-Stunden-Woche vor, reduziert sich die vertragliche Sollarbeitszeit auf 45 Stunden, bei gleichem Lohn.
- Eine vertraglich festgelegte höhere Sollarbeitszeit darf nicht zu Minusstunden oder Lohnkürzungen führen.
- Arbeiten Schwangere und Stillende mehr als neun Stunden am Tag, sind die mehrgeleisteten Stunden zu bezahlen.
- Schwangere und Stillende dürfen der Arbeit fernbleiben. Anspruch auf Lohn besteht jedoch nur, wenn eine tatsächliche Arbeitsunfähigkeit im medizinischen Sinne vorliegt.