Die Dokumentation nimmt im Arbeitsalltag von Ärzten zunehmend mehr Zeit in Anspruch. Das geht aus einer Umfrage hervor, die das Forschungsinstitut Gfs-Bern im Auftrag der FMH durchgeführt hat. Demnach steigt die Arbeitszeit, die Ärzte in der Akutsomatik mit dem Dokumentationsaufwand verbringen, weiter an, während die für die Patientenversorgung aufgebrachte Zeit zurückgeht.
Dokumentationsaufwand geht zulasten der Patientenversorgung
Jährlich lässt die FMH Spitalärzte in der Akutsomatik, in der Rehabilitation und der Psychiatrie sowie praxisambulant tätige Ärzte nach den Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit befragen. Die Fragen beziehen sich auf die Arbeitsbedingungen, die Arbeitsbelastung, den Dokumentationsaufwand, auf die Versorgungsqualität, Wartezeiten und den Fachkräftemangel. Die aktuelle Befragung wurde vom 30. April bis zum 24. Juni 2024 durchgeführt, 1707 Schweizer Ärzte haben teilgenommen. Der Ergebnisbericht wurde im November 2024 unter dem Titel „Unter Druck – Ärzteberuf droht an Attraktivität zu verlieren“ veröffentlicht.
Der Attraktivitätsverlust hängt unter anderem mit dem hohen Dokumentationsaufwand zusammen. In der Akutsomatik hat die durchschnittliche Anzahl Minuten, die Ärzte mit Dokumentationsarbeiten verbringen, leicht zugenommen und ist von täglich 114 Minuten im Jahr 2023 auf 120 Minuten im Jahr 2024 gestiegen. Im gleichen Zeitraum nahm die Zeit, die sich Ärzte mit patientennahen Tätigkeiten befassen, von 213 auf 202 Minuten pro Tag ab. Allerdings lässt sich auch beobachten, dass Ärzte in der Akutsomatik etwas mehr Zeit für Visiten einsetzen konnten, nämlich 54 statt wie zuvor 51 Minuten.
Vor allem in der Psychiatrie zeigt sich ein deutlicher Anstieg der Zeit, die mit dem Patientendossier verbracht werden muss: In den vergangenen zehn Jahren erhöhte sich der Durchschnittsaufwand von 78 auf fast 100 Minuten am Tag. In der Akutsomatik stieg der Wert von 104 auf 119.5 Minuten, in der Rehabilitation sank er dagegen leicht von 98 auf 89.4 Minuten.
Erfüllung von Behördenvorgaben besonders zeitaufwendig
Viel Zeit müssen Ärzte vor allem für die Erfüllung von Behördenvorgaben aufbringen. Das gilt für Spitalsärzte in der Akutsomatik wie auch für ihre ambulant tätigen Kollegen. In den ambulanten Praxen entfällt der grösste Zeitauwand auf die Arbeit mit Krankenakten und Berichten, bei den stationär tätigen Ärzten sind Gesuche um Kostengutsprachen sehr zeitintensiv.
Ambulant wie stationär nehmen zudem die Anforderungen der Dokumentation sowie Rückfragen und Rechtfertigungen von Begründungen viel Arbeitszeit in Anspruch. Anfragen und Berichte im Zusammenhang mit der IV machen einen weiteren hohen Anteil des Dokumentationsaufwandes aus. In der Akutsomatik entfallen pro Tag durchschnittlich 32.7 Minuten auf die Erfüllung von Behördenvorgaben, in der ambulanten Praxis sind es sogar 43.7 Minuten.
Diesen Zeitaufwand empfindet die Mehrheit der Befragten als überflüssig. In der praxisambulant tätigen Ärzteschaft sagen dies 65 Prozent, in der Rehabilitation 67 Prozent. In der Akutsomatik stehen 52 Prozent der aufgewendeten Zeit für Behördenvorgaben ablehnend gegenüber, in der Psychiatrie sind es 55 Prozent. Lediglich 17.5 Prozent empfinden die behördlichen Anforderungen als gerechtfertigt.
Die Umfrageergebnisse decken sich mit der Einschätzung des Commonwealth Fund: In einer internationalen Vergleichsstudie landete das Gesundheitssystem der Schweiz im unteren Drittel. Schuld war unter anderem die Ineffizienz der Bürokratie.
Weitere Ergebnisse: Fachkräftemangel bleibt ein Problem
Ein hoher Zeitaufwand für die Dokumentation ist nicht die einzige Herausforderung, welche die Schweizer Ärzteschaft bemängelt. Nach wie vor wird auch der Fachkräftemangel als Problem wahrgenommen, insbesondere bei den ambulant tätigen Ärzten und in der Psychiatrie. Der Fachkräftemangel wirkt sich unter anderem auf die zur Verfügung stehenden Kapazitäten der ambulanten Praxis aus. So nimmt nur etwas mehr als die Hälfte der befragten ambulant tätigen Ärzte noch neue Patienten auf. 41 Prozent haben keine Kapazitäten mehr für Neuaufnahmen.