Der Schweizer Staat investiert rund 1,2 Millionen Franken in die Ausbildung eines jeden Mediziners. Etwa 700 Studierende schliessen jedes Jahr ihr Medizinstudium ab. Doch längst nicht jeder Absolvent arbeitet anschliessend auch als Arzt. Jeder fünfte Arzt wechselt irgendwann den Beruf. Woran liegt das? Und wie kann der Staat gegensteuern?
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Viele Medizin-Absolventen sind nicht als Arzt tätig
Mehr als 30.000 Ärzte hat die Schweiz in den vergangenen 40 Jahren ausgebildet. Würden alle noch in ihrem Beruf arbeiten, wären nur rund 1.000 Stellen für ausländische Mediziner offen. Tatsächlich arbeiten allerdings mehr als 10.000 Ärzte aus dem Ausland in der Schweiz, während es an einheimischen Medizinern mangelt.
Mit verschiedenen Massnahmen versucht der Staat, dem Ärztemangel entgegenzuwirken. So dürfen Studierende seit 2017 auch an der ETH ihren Medizin-Bachelor machen, ausserdem investiert der Bundesrat mehr Geld in die Ausbildung. Gesundheitsökonomen und Ärztevertreter zweifeln jedoch daran, dass diese Massnahmen greifen. Viele Schweizer Ärzte würden nach der Ausbildung nämlich gar nicht in ihrem Beruf arbeiten.
Schätzungen zufolge ist jeder fünfte Medizin-Absolvent nach dem Staatsexamen dauerhaft oder vorübergehend nicht als Arzt tätig. Das Schweizer Bundesamt für Statistik hat Mediziner des Abschlussjahrgangs 2008 ein Jahr nach ihrem Abschluss sowie fünf Jahre danach nach ihrer Tätigkeit befragt. Kurz nach dem Staatsexamen arbeiten demnach noch 95 Prozent der Befragten im Gesundheitswesen. Fünf Jahre später sind es noch 93 Prozent. Ein Grossteil der Ärzte gibt den Beruf später auf, was von dieser Studie allerdings nicht erfasst wird.
Arztberuf und Familie lassen sich schwer miteinander vereinen
Ein möglicher Grund für den Berufswechsel liegt in der Schwierigkeit, Arztberuf und Familienleben miteinander zu vereinen. Darauf lässt eine Studie des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) schliessen. Die Studie fragte nach, wie viele Absolventen nach dem Staatsexamen eine Facharztausbildung machen.
Ohne Facharztausbildung dürfen Mediziner in der Schweiz nur unter Aufsicht Patienten behandeln, sie ist also für praktizierende Ärzte fast zwingend notwendig. Dennoch fand die Umfrage heraus, dass 16 Prozent der Schweizer Mediziner auch zehn Jahre nach dem Staatsexamen noch keinen Facharztausweis haben.
Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen Geschlechterunterschied. Während zehn Jahre nach Studienabschluss etwa 12 Prozent der Männer ohne Facharztausbildung sind, sind es bei den Frauen 20 Prozent. Die Facharztausbildung fällt meist genau in die Zeit, in der auch die Familienplanung beginnt. Vor allem für Frauen ist es schwer, den belastenden Dienst im Spital mit dem Familienleben unter einen Hut zu bekommen. Eine Studie des Büros Vatter und des Forschungsinstituts GFS bestätigt diese Ergebnisse.
In welche Berufe wechseln Schweizer Ärzte?
Der GFS-Studie zufolge gehen der Humanmedizin rund zehn Prozent der Absolventen an andere Berufe verloren, also ein etwas geringerer Wert als angenommen. Als Gründe für den Berufswechsel nennen die Befragten die hohe Arbeitsbelastung und den Schichtbetrieb mit unregelmässigen Arbeitszeiten.
Viele Mediziner arbeiten nach dem Berufswechsel weiter im Gesundheitssystem, zum Beispiel in den sogenannten Codier-Büros, welche sich um die Abrechnung der Fallpauschalen in den Spitälern kümmern. Andere wechseln in die Pharmaindustrie oder die Medizintechnik. Wieder andere arbeiten bei Versicherungen oder in der Gesundheitsvorsorge. Auch die Arbeit als ärztlicher Gutachter ist möglich.
Mögliche Gegenmassnahmen
Höhere Investitionen in die Mediziner-Ausbildung allein stellen noch nicht sicher, dass Absolventen tatsächlich als Arzt arbeiten. Eine Alternative könnten Steuerungsmassnahmen sein, um besser zu kontrollieren, wie viele Ärzte in den jeweiligen Fachrichtungen ausgebildet werden.
Ärztevertreter halten es auch für denkbar, das Medizinstudium an die Bedingung zu knüpfen, nach dem Staatsexamen eine gewisse Zeit als Arzt tätig zu sein. Das Schweizer Institut für Ärzterekrutierung hat zudem das Modell “Ärzte auf Zeit” entwickelt. Praxen und Kliniken können für einen begrenzten Zeitraum Mediziner anfordern, um Personalengpässe zu überbrücken. Den Ärzten soll das Modell eine bessere Work-Life-Balance bieten.
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