
Der Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie verbindet Aspekte aus Natur- und Geisteswissenschaften. Ärzte dieser Facharztrichtung erörtern mit Kindern und Jugendlichen deren psychische Erkrankungen und helfen ihnen, mit Gesprächen und wissenschaftlichen Psychotherapieansätzen sowie Medikamenten, ihre Lebenssituation zu stabilisieren und die Krankheiten zu therapieren. Dazu befähigt die zugehörige Facharztweiterbildung.
Inhaltsverzeichnis
Facharzt Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie – Tätigkeiten
Ein Kinder- und Jugendpsychiater diagnostiziert und behandelt psychische und emotionale Störungen sowie Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Typischerweise treffen die Ärzte dieser Berufsgruppe in ihrem Berufsalltag auf Patienten mit Erkrankungen wie AD(H)S, Depressionen, Angststörungen, Krankheiten aus dem Autismusspektrum sowie Essstörungen. Sie nutzen freie Gespräche und standardisierte Testverfahren, um Diagnosen zu stellen und Therapiepläne mit ihren jungen Patienten zusammen zu erarbeiten. Darüber hinaus verwenden sie Medikamente zur Unterstützung. Mehr zu den Aufgaben und Tätigkeiten als Kinder- und Jugendpsychiater hier:
Überblick aller Facharztausbildungen:
Überblick aller Facharztrichtungen:
Weiterbildung Facharzt Kinder- und Jugendpsychiatrie – Voraussetzungen
Wer den Facharzttitel Kinder- und Jugendpsychotherapie anstreben möchte, muss in der Schweiz zunächst erfolgreich das Medizinstudium beenden, das in Regelstudienzeit 6 Jahre dauert. Mit Approbation kann die Facharztausbildung begonnen werden. Diese ist an eine Assistenzarztstelle gebunden.
Wer Kinder- und Jugendpsychiater werden möchte, sollte aber neben dem Abschluss auch einige persönliche Qualifikationen mit einbringen. Auf der Hand liegt, dass man in diesem Fachgebiet gerne mit Menschen und insbesondere mit Kindern arbeitet. Die angehenden Fachärzte sollten Empathie, Zugewandtheit und Kommunikationsfähigkeiten mitbringen. Gleichzeitig ist aber auch strukturiertes Denken, Aufmerksamkeit und Analysefähigkeit wichtig.
Dauer und Gliederung der Weiterbildung zum Facharzt Kinder- und Jugendpsychiatrie
Die Facharztausbildung für Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Schweiz dauert mindestens sechs Jahre und gliedert sich in verschiedene Ausbildungsabschnitte. Sie umfasst drei Jahre klinische Weiterbildung in einer anerkannten kinder- und jugendpsychiatrischen Einrichtung sowie zwei Jahre Zusatzweiterbildung, davon mindestens ein Jahr in Psychiatrie, Neurologie oder Pädiatrie. Die Weiterbildungsordnung beschreibt den Ablauf spezifischer:
- 4 Jahre Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (fachspezifisch)
- 1 Jahr Erwachsenenpsychiatrie und -psychotherapie (nicht fachspezifisch)
- 1 klinisch/somatisches Jahr (nicht fachspezifisch)
Die Minimalanforderung für passende Weiterbildungsstätten ist Kategorie A oder B für mindestens ein Jahr. Ärzte in Weiterbildung im Fachgebiet Kinder und Jugendpsychiatrie müssen mindestens zwei Jahre ambulant tätig sein und ein Jahr stationär.
Zusatzmöglichkeiten
In der Facharztausbildung Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Schweiz kann bis zu ein Jahr Forschung oder ein MD/PhD-Programm als fachspezifische Weiterbildung angerechnet werden, jedoch nicht für das obligatorische Jahr in Kategorie A oder B. Forschung, MD/PhD und forensische Weiterbildung dürfen insgesamt höchstens zwei Jahre ausmachen. Zusätzlich kann bis zu ein Jahr Praxisassistenz in anerkannten Arztpraxen angerechnet werden.
Wer ausserdem die Schwerpunktausbildung in der forensischen Kinder- und Jugendspsychiatrie ablegen möchte, kann dies auch mit der Facharztweiterbildung verrechnen: Insgesamt dürfen zwei Jahre Ausbildung in einer Weiterbildungsstätte der Kategorie D verrechnet werden, wobei ein Jahr auf die Ausbildungszeit der Schwerpunktweiterbildung berechnet werden kann. Auch Forschung im forensischen Bereich kann man sich bis zu zwei Jahre anrechnen lassen.
Inhalte der Weiterbildung zum Facharzt Kinder- und Jugendpsychiatrie
Die Inhalte der Weiterbildung zum Facharzt Kinder- und Jugendpsychiatrie ergänzen sich mit den allgemeinen Weiterbildungsanforderungen in der Schweiz. Das SIWF legt in seiner Weiterbildungsordnung der Kinder- und Jugendpsychiatrie folgende Lernziele fest.
Allgemeine Lerninhalte
- empathischer, respekt- und verständnisvoller Umgang mit Patienten und Angehörigen
- Nähe- und Distanzregulierung
- Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion bzgl. Patienten, Angehörigen und beruflichem Umfeld
- Kommunikation mit Patienten aller Altersstufen und Geschlechter sowie deren Bezugspersonen unter Berücksichtigung der spezifischen Situation von Kindern und Jugendlichen
- Verständnis für Menschen aus anderen Kulturen in ihrer Lebensweise
- Wechselwirkungen zwischen verschiedenen, für den Patienten engagierten Personen und Institutionen in ihrer Dynamik
- klare und verständliche, mündliche und schriftliche Berichte
- Teamarbeit und interdisziplinäre Zusammenarbeit
- internationale Fachliteratur und entsprechende Leitlinien
- Evidence-based Medicine
- wirtschaftliche Grundlagen und WZW Kriterien (Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit)
- Public Mental Health-Ansatz
Fachwissen in Kinder- und Jugendpsychiatrie
- Allgemeine und spezielle Psychopathologie und kinderpsychiatrische Besonderheiten
- Entwicklungspsychopathologie, Folgen von Bindungsstörungen auf die Entwicklung
- Allgemeine psychiatrische Krankheitslehre, kinderpsychiatrische Besonderheiten
- Internationale Klassifikationen (ICD, MAS, DSM)
- Grundkenntnisse der psychologischen und neuropsychologischen Testung
- Symptomatik psychischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen aus anderen Kulturen
- Grundlagen der Epidemiologie und Prävention
Fachwissen in Kinder- und Jugendpsychotherapie
- Grundkenntnisse der verschiedenen Therapiemethoden, Settings und der störungsspezifischen Interventionen
- Vertiefte Kenntnisse durch eine fundierte Weiterbildung (Theorie, praktische Anwendung, Supervision, Selbsterfahrung) in einer oder einer Kombination von mehreren Psychotherapiemethoden
Pharmakotherapie
- Allgemeine Psychopharmakotherapie: Pharmakokinetik und -dynamik, klinisch relevante unerwünschte Wirkungen und Interaktionen
- Verordnung von Psychopharmaka im Kindesalter
- Procedere bei Aufklärung und Einverständniserklärung
- Spezielle Anforderungen bei Off-label-Behandlungen
- Gesetzliche Grundlagen über die Arzneimittelverschreibung (Heilmittelgesetz, Betäubungsmittelgesetz und die für den Arzneimittelgebrauch relevanten Verordnungen)
- Umgang mit Originalpräparaten und Generika
- Erstellung eines Rezeptes
- Indikationsstellung und Integration der Psychopharmakotherapie in ein ganzheitliches Behandlungskonzept
- Einbezug der Auswirkungen einer medikamentösen Therapie auf den psychotherapeutischen Prozess und den Alltag des Patienten
Notfallpsychiatrie und Krisenintervention
- Grundlagen der Sofortmassnahmen bei somatischen und kinder- und jugendpsychiatrischen Notfällen, inkl. Massnahmen im Rahmen des Basic Life Support
- Diagnose und Behandlung eines kinder- und jugendpsychiatrischen Notfalles (Suizidalität, Aggressivität, Psychosen, Traumatisierung, Delir etc.)
- Konzepte und Organisation der Krisenintervention
- Fürsorgerische Unterbringung (FU): rechtlichen Grundlagen und praktisches Vorgehen
Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie, Psychosomatik
- Somatische Symptomatik psychischer Erkrankungen
- Typische psychosomatische Krankheitsbilder
- Auswirkungen körperlicher Erkrankung, der somatischen Behandlung und des Spitalaufenthaltes auf die psychische Gesundheit (somatopsychischer Aspekt)
- Psychosomatische und somatopsychische Wechselwirkungen
- Management von spezifischen Krisensituationen im Konsiliar- und Liaisondienst (Suizidversuche, Aggressivität, Opfer von Unfällen oder Gewalt, Interventionen am Lebensende und Betreuung von Angehörigen)
- Besonderheiten der psychiatrischen Arbeit in einem Akutspital, in der interdisziplinären Zusammenarbeit und in der gemeinsamen Behandlung der Patienten (Liaisonpsychiatrie)
- Durchführung von Konsilien in somatischen Kliniken
- Interdisziplinäre Mitbehandlung von Familien mit schwer körperlich kranken Kindern und Jugendlichen (z.B. Krebs)
Kinderschutz
- Wichtige gesetzliche Grundlagen
- Vormundschaftliche Massnahmen
- Wichtige Misshandlungsformen, Symptomatik und Folgen
- Wissen und Erfahrung, wie bei einem Verdacht auf CAN (Child Abuse and Neglect) vorzugehen ist
Forensik
- Grundkenntnisse in Zivilrecht (Familienrecht, Schutzmassnahmen), Versicherungsrecht (IV, Krankenkassen), Standesrecht (Schweigepflicht, Informations- und Dokumentationspflicht) und Strafrecht (Jugendstrafrecht)
- Grundkenntnisse der Gutachtenserstellung
Grundlagenwissen aus verwandten und angrenzenden Fachgebieten
- Erwachsenenpsychiatrie und der Auswirkungen psychischer Krankheiten der Angehörigen auf die kindliche Entwicklung
- Wichtige pädiatrische und neuropädiatrischen Krankheiten, insbesondere solcher mit psychischer Symptomatik
- Psychologie (Kognition, Emotion, Lernen, Motivation, Verhalten, Bindungstheorie etc.) und Entwicklungspsychologie, der normalen körperlichen Entwicklung und der gesunden Beziehungsentwicklung eines Kindes
- Neurobiologie, -physiologie und -psychologie
- Pädagogik und Schulpsychologie
- Public Mental Health (Epidemiologie, Versorgungsforschung, nationale und internationale Mental Health-Pläne)
Diagnostische Kompetenz und Indikationsstellung
- Anamnesekompetenz in Abhängigkeit vom Entwicklungsalter mit Kind/Jugendlichem und Angehörigen unter Einbezug anderer Kontexte (Kindergarten, Schule, Lehre)
- Strukturierte Erhebung des psychopathologischen Befunds in jedem Entwicklungsalter, der innerpsychischen Struktur und der Beziehungsstrukturen
- Indikationsstellung und Durchführung von testpsychologischen Verfahren, Indikationsstellung und Interpretation somatischer Abklärungen zur Differenzialdiagnostik psychischer Störungen
- Indikationsstellung und Durchführung einer kursorischen somatischen und neurologischen Untersuchung
- Somatopsychische und psychosomatische Differenzialdiagnose
- Wissen über Normvarianten sowie über vorübergehende normale Schwankungen im Leben und normale zu bewältigende Herausforderungen im Leben ohne Krankheitswert
- Erstellung und kritische Reflexion einer Diagnose im Multi-Axialen Diagnostiksystems (MAS) mit Differenzialdiagnostik und Identifizierung von Komorbiditäten
- Festlegung und kritische Reflexion der Indikation, Art und der Ausgestaltung einer therapeutischen Intervention
- Kenntnisse zum möglichen weiteren Verlauf und zur Prognose einer Krankheit
- Fähigkeit, die Behandlungsziele regelmässig zu überprüfen und eine Behandlung auch abzuschliessen
Facharztprüfung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie
Die Weiterbildung im Fachgebiet Kinder- und Jugendpsychiatrie endet mit der Facharztprüfung. Sie setzt sich aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil zusammen, wobei im schriftlichen Teil auf 15 bis 20 Seiten ein Patientenfall elaboriert wird, der in mindestens 12 Therapiesitzungen erarbeitet wurde. Die Prüflinge setzen den Fall in den Zusammenhang theoretischer Ansätze und verknüpfen ihn mit problemrelevanter Literatur.
Der sich daran anschließende mündliche Teil dauert 60 bis 75 Minuten. Den Prüflinge zeigt man hierfür meist ein Video eines Gesprächs mit einem Kind oder Jugendlichen. Sie müssen dann innerhalb des ersten Abschnittes ihre Beobachtungen und den Fall im Allgemeinen vorstellen. Dazu beantworten sie Fragen von 2 Examinatoren aus einer 7-körpfigen Prüfungskommission. Darüber hinaus beantworten sie Fragen zum Lernkatalog der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Zusätzlich wird in 5 Minuten der Fall aus dem schriftlichen Teil der Facharztprüfung aufbereitet. Insgesamt ist die Prüfung also in drei Teile geteilt.
Logbuch
Um die Ausbildung im Facharzt Kinder- und Jugendpsychiatrie erfolgreich abzuschliessen, müssen die Assistenzärzte zunächst ein vollständig ausgefülltes Logbuch abgeben. Das Logbuch für Assistenzärzte in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Schweiz dient der strukturierten Dokumentation der Weiterbildungsinhalte und Fortschritte während der Facharztausbildung. Es wird vom Schweizerischen Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF) vorgegeben und muss während der gesamten fünfjährigen Ausbildung geführt werden.
Das Logbuch enthält Pflichtbestandteile, darunter dokumentierte klinische Tätigkeiten, diagnostische und therapeutische Maßnahmen, Supervisionen sowie die Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen. Assistenzärzte müssen zudem Nachweise über Psychotherapien, Forschungstätigkeiten (falls angerechnet), sowie spezielle Inhalte wie forensische Kinder- und Jugendpsychiatrie erbringen. Regelmässige Evaluationen durch die Weiterbildungsstätte und die Bestätigung durch den verantwortlichen Weiterbildner sind erforderlich.
Jobs als Arzt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie
Die Psychiatrie ist einer der Fachbereiche in denen sich der Ärztemangel besonders bemerkbar macht, was Fachärzte und auch Nachwuchskräfte im Facharzt Kinder- und Jugendpsychiatrie besonders begehrt macht. Als Assistenzarzt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sollte man sich stationäre Stellen (in Spitälern oder ähnlichen Einrichtungen) und ambulante Stellen (in Praxen) anschauen, um die verschiedenen Aufgaben zu erlernen. Die Fachärzte finden Stellen in ähnlichen Bereichen. Wer an der Spezialisierung in der forensischen Psychiatrie interessiert ist, findet Anstellung in entsprechenden Einrichtungen. Passende Jobs gibt es hier: