Menschen, die unter chronischen Schmerzen leiden, sehen sich nicht nur einer wesentlichen Einschränkung ihrer Lebensqualität entgegen, sondern müssen zudem vielfältige Nebenwirkungen hinnehmen, die sich aus der Schmerztherapie ergeben. Medizinalcannabis ist eine von mehreren Möglichkeiten zur Schmerztherapie, der Zugang zu der Substanz ist aber streng reglementiert. Diese strikte Verschreibungspraxis soll nun gelockert werden. Dieser Beitrag zeigt Hintergründe auf und informiert über die geplanten Änderungen beim Verschreiben.
Chronische Schmerzen als Hauptindikation
Die Ursachen für chronische Schmerzen sind vielfältig. Manche Patienten leiden viele Jahre unter OP-Narbenschmerzen, wieder andere kämpfen mit einem chronischen Leiden, das regelmäßig oder permanent starke Schmerzen verursacht. Menschen, die unter chronischen Schmerzen leiden, weisen aber nicht selten eine Überempfindlichkeit des Nervensystems auf. Auch kleine Reize werden dann als schmerzhaft empfunden.
In der Medizin gelten Schmerzen erst dann als chronisch, wenn sie länger als sechs Monate andauert. Sehr oft entstehen chronische Schmerzen mit fortschreitendem Alter durch Verschleißerscheinungen. Gerade der Bewegungsapparat ist hierfür anfällig. Nicht selten sind bei solchen Krankheitsbildern gleich mehrere Gelenke betroffen, beispielsweise durch Arthrose. Auch Gefäßerkrankungen können zu Schmerzen führen, die sich im weiteren Verlauf chronifizieren. Häufig treten mit Erkrankungen wie beispielsweise einem Schlaganfall auch Schmerzen auf, da das Nervensystem beschädigt wird. Andere chronische Erkrankungen, wie Diabetes und Multiple Sklerose können ebenfalls zu andauernden Schmerzzuständen führen. Auch bei Krebserkrankungen können Schmerzen auftreten, nämlich Tumorschmerzen, die dann schmerztherapeutisch behandelt werden müssen.
Wie entstehen chronische Schmerzen?
Jeder Schmerzreiz ist prinzipiell als Ursache für chronische Schmerzen denkbar. Denn der Schmerzreiz führt im Nervensystem zu bleibenden Veränderungen. Die Nervenzellen erwerben eine “Schmerzerinnerung”, die dazu führt, dass bereits bei kleinen Reizen und leichten Berührungen ein starker Schmerz empfunden wird. Im Gehirn bildet sich ein dementsprechend ausgebildetes Schmerzgedächtnis.
Um dem Entstehen chronischer Schmerzen vorzubeugen, sollten deswegen auch kleinere Schmerzen schnell und effizient behandelt werden. Übliche, frei verkäufliche Medikamente wie Paracetamol und Ibuprofen helfen gerade bei chronischen Schmerzen nicht. Patienten sollten sich daher bereits dann gezielt nach einem spezialisierten Schmerztherapeuten umsehen, wenn das Schmerzgeschehen seit sechs Monaten besteht.
In der Schmerztherapie bei chronischen Schmerzen steht ein multimodaler Therapieansatz im Fokus. Neben der Therapie mit weiteren, wesentlich stärkeren Schmerzmedikamenten wird auch auf bewegungstherapeutische Ansätze und Entspannungstechniken zurückgegriffen. Ziel ist es, die Schmerzen so weit wie möglich zurückzudrängen, um dem Patienten neue Lebensfreude zu schenken.
Welche Medikamente helfen bei chronischen Schmerzen?
Um starke Schmerzen, beispielsweise bei schweren Verletzungen oder Operationen zu bekämpfen, stehen mehrere Medikamentengruppen in unterschiedlichen Stärken zur Verfügung. Die nicht-opioiden Analgetika bilden dabei die unterste Kategorie. Dazu gehören beispielsweise Paracetamol, Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Diclofenac und weitere.
Bei chronischen Schmerzen greifen diese Medikamente jedoch meist zu kurz. Dann wird eine Schmerztherapie mit opioiden Analgetika eine bessere Wirkung erzielen. Diese arbeiten mit isoliertem Morphium, um schwere Schmerzzustände zu behandeln. Sie blockieren die Schmerzübertragung in Rückenmark und Gehirn, sind in verschiedenen Stärken erhältlich und nur über ein spezielles Betäubungsmittelrezept zu bekommen.
Bei aller Wirksamkeit sind gerade Opioide wegen ihrer zum Teil gravierenden Nebenwirkungen stark umstritten. Sie führen sehr oft zu Übelkeit und Erbrechen, erschweren den Alltag aber auch durch ihre allgemein dämpfende Wirkung. Sehr oft leiden Patienten auch an Verstopfung, was den zusätzlichen Einsatz von Abführmitteln notwendig macht, die wiederum ihre eigenen Nebenwirkungen mitbringen.
Cannabis – natürlicher Helfer bei chronischen Erkrankungen
Angesichts der massiven Nebenwirkungen, die beim Einsatz von Opioiden zur Schmerztherapie zu beobachten sind, gibt es immer mehr Alternativen. Cannabis in pharmazeutischer Qualität ist ein durchaus geeigneter Wirkstoff, um schwer erkrankten Menschen, aber auch chronischen Schmerzpatienten zu einem annähernd normalen Alltag zu verhelfen. Damit ein Arzt medizinisches Cannabis verschreiben kann, müssen entweder chronische Schmerzen vorliegen oder eine Spastizität bei Multipler Sklerose oder Paraplegie. Ebenfalls indiziert ist medizinisches Cannabis für Epileptiker, wobei hier genau unterschieden werden muss, welcher Epilepsie-Typ vorherrscht. Krebspatienten profitieren von medizinischem Cannabis zum einen durch die Schmerzbehandlung, zum anderen aber auch durch den lindernden Effekt auf Übelkeit und Erbrechen im Rahmen einer Chemotherapie. Sogar bei der Behandlung von HIV und AIDS kann medizinischer Cannabis eingesetzt werden, vor allem zur Appetitsteigerung. Nicht nur bei körperlichen Symptomen, sondern auch bei psychischen Erkrankungen kann medizinisches Cannabis helfen. Gerade bei Angst- und Schlafstörungen, aber auch beim Tourette-Syndrom ist eine Verbesserung zu erwarten.
Vereinfachter Zugang zu medizinischem Cannabis
Dass medizinisches Cannabis chronische Schmerzzustände lindern kann, ist heute unbestritten. Die Behandlung mit diesem Wirkstoff ist zudem im Gegensatz zu Opioiden wesentlich schonender für den Körper. In der Schweiz waren die Hürden für die Verschreibung von medizinischem Cannabis relativ hoch. Verschreibende Ärzte mussten dazu eine Ausnahmebewilligung beim Bundesamt für Gesundheit beantragen. Dies bedeutet nicht nur eine Erschwerung des Zugangs, sondern auch eine Verzögerung des Therapiebeginns. Um diesen Missstand angesichts der steigenden Anzahl an Gesuchen zu beheben, entschied jetzt nach dem Bundesrat auch der Nationalrat über eine entsprechende Revision des Betäubungsmittelgesetzes. Mit dem neuen Gesetz bleibt die Behandlung mit medizinischem Cannabis eine Frage zwischen Arzt und Patient, der Ausnahmebewilligungsbescheid muss nicht mehr eingeholt werden.