Die Schweigepflicht ist von hoher Bedeutung für das Arzt-Patienten-Vertrauensverhältnis und ist im Art. 321 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB) vom 21. Dezember 1937 verankert. Doch wozu dient die Schweigepflicht? Welche Regelungen und Grenzen gibt es und was passiert, wenn Ärzte die Schweigepflicht brechen?
Was ist die Schweigepflicht?
Unabhängig von der Art und vom Ort ihrer Tätigkeit sind Gesundheitsfachpersonen an die berufliche Schweigepflicht gebunden. In spezifischen Situationen stehen jedoch spezifische Melderechte und -pflichten in einem Spannungsverhältnis zur gesetzlichen Schweigepflicht. Je nachdem, wie die Fallkonstellation konzipiert ist, differiert dann das konkrete Vorgehen.
Die Schweigepflicht beinhaltet alle Daten und Informationen, welche Gesundheitsfachpersonen und ihre Hilfspersonen im Rahmen ihrer Beschäftigung über Patientinnen und Patienten erfahren. Bereits der Fakt, dass zwischen einer Patientin oder einem Patienten und einer Gesundheitsfachperson ein Behandlungsverhältnis besteht, untersteht der Schweigepflicht.
Die Schweigepflicht ist ausserdem wichtig, um die Privatsphäre des Patienten zu gewährleisten. Sie stellt dabei ein Fundament für die Vertrauensbeziehung dar, welche zwischen der behandelnden Fachperson und der Patientin oder dem Patient besteht. Nur dank diesem Vertrauensverhältnis ist die Kommunikation von sensiblen und persönlichen Daten möglich. Zudem verbessert es ebenso grundsätzliches Vertrauen in eine fachgerechte Ausübung der Gesundheitsberufe.
Welche Berufe unterliegen der Schweigepflicht?
Die Schweigepflicht nach Artikel 321 StGB gilt lediglich für die dort genannten Berufe:
- Ärzte und Zahnärzte
- Apotheker
- Chiropraktoren
- Hebammen
- Psychologen
- Rechts- und Patentanwälte
- Notare
- Verteidiger
- Geistliche
- nach Obligationenrecht zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren
…und deren Hilfspersonen. Unter Hilfspersonen versteht man in diesem Zusammenhang z.B. medizinische Praxisassistenten, Ergo- und Physiotherapeuten oder Krankenpflegekräfte. Bei anderen Berufsgruppen, die im Rahmen ihrer Arbeit ebenso Gesundheitsdaten bearbeiten, muss man beurteilen, ob diese kantonalen gesetzlichen Geheimhaltungspflichten unterliegen. Dabei handelt es sich beispielsweise um Osteopathen, Ernährungsberater oder Homoöpathen.
Weitere zentrale Regelungen zur Schweigepflicht
Die Schweigepflicht besteht nicht nur seitens eines Arztes oder Gesundheitsfachpersonen gegenüber PatientInnen, sondern weitere Regelungen, beispielsweise zur Schweigepflicht zwischen Ärzten oder für den Betriebsarzt, sind von Relevanz.
Schweigepflicht zwischen Ärzten
Möchte ein Arzt Informationen an einen anderen Arzt weitergeben, benötigt dieser eine Einwilligung des Patienten, bevor er die Informationen an andere Ärzte weitergibt. Ein Beispiel hierfür: eine Ärztin, bei welcher ein Patient eine Zweitmeinung einholt, darf ohne die Einwilligung des Patienten dem behandelnden Arzt keinen Bericht erstatten.
Die Tatsache, dass der Daten erhaltende Arzt seinerseits an das Patientengeheimnis gebunden ist, tut dann nichts zur Sache. Anders verhält es sich bei der Behandlung des Patienten durch ein ganzes Ärzteteam. In diesem Fall kann man eine stillschweigende Einwilligung für den Datenaustausch innerhalb des Teams annehmen.
Schweigepflicht für den Betriebsarzt
Die Schweigepflicht gilt zudem für den Betriebsarzt. Liegt eine unfallbedingte oder krankheitsbedingte Abwesenheit vor, kann der Arbeitgeber seinen Beschäftigten von einem Vertrauensarzt der Firma, auch Betriebsarzt genannt, untersuchen lassen. Der Vertrauensarzt muss sich gesetzlich an die Schweigepflicht halten, das gilt ebenfalls vor dem Arbeitgeber.
Der Arbeitgeber darf lediglich die medizinischen Implikationen erfahren, soweit diese für den Arbeitgeber zur Abwicklung des Arbeitsverhältnisses erforderlich sind. Normalerweise bezieht sich das auf die Aussage der Arbeitsfähig- oder -unfähigkeit des Arbeitnehmers, z.B. infolge Krankheit oder Unfall. Medizinische Daten darf der Betriebsarzt hingegen ohne Einwilligung des Beschäftigten nicht weitergeben. Dies gilt spezifisch für die Mitteilung von Diagnosen.
Schweigepflicht für Vertrauensarzt und Angestellten der Krankenkasse(n)
Darüber hinaus ist der Vertrauensarzt sowie sein Hilfspersonal an das Patientengeheimnis gebunden. Nur die Schlussfolgerungen darf der Arzt der zuständigen Stelle in der Kassenadministration erläutern, damit diese eine Entscheidung im Hinblick auf die Leistungspflicht treffen kann.
Ferner sind die Beschäftigten der Krankenkassen an die Schweigepflicht gebunden. Ist ein Angestellter einem Vertrauensarzt direkt unterstellt, so gilt er als dessen Hilfsperson und muss sich an die ärztliche Schweigepflicht halten.
Folgen einer Schweigepflichtverletzung
Falls der Geschädigte eine Strafanzeige aufgibt, kann die Verletzung der Schweigepflicht strafrechtliche Folgen haben. Gesundheitsdaten sind durch das Datenschutzgesetz (DSG) geschützt und verlangen demgemäss eine Bearbeitung nach diesen Grundsätzen. Kommt es zu einer widerrechtlichen Bearbeitung von Gesundheitsdaten, haben die betroffenen Personen das Recht auf eine Zivilklage (Artikel 15 Absatz 4 DSG). Diese Option besteht neben einer Strafanzeige gemäss Artikel 321 StGB.
Grenzen der Schweigepflicht
Der Datenschutz seitens des Arztes hat allerdings seine Grenzen. Die Patientendaten dürfen demnach von einem Arzt dann weitergegeben werden, sofern er die Einwilligung seines Patienten hat. Diese Einwilligung untersteht keinen Formvorschriften. Zu Beweiszwecken sollte der behandelnde Arzt allerdings in heiklen Gebieten eine schriftliche Entbindungserklärung einholen. Gleichermassen ist ein Arzt zur Informationsfreigabe berechtigt, wenn seine vorgesetzte Behörde ihn vom Berufsgeheimnis befreit hat oder wenn die Datenweitergabe in einem Gesetz vorgesehen ist. Zudem gibt es Grenzen des Patientengeheimnisses im Zuge von Meldepflichten oder -rechten.
Meldepflichten
Handelt es sich um eine gesetzliche Meldepflicht, ist der hiervon betroffene Berufsgeheimnisträger von der Schweigepflicht befreit. Demzufolge ist er nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, die notwendigen Daten der zuständigen Behöre mitzuteilen.
Es existieren vielfältige kantonale und bundesrechtliche Meldepflichten. Ein paar Beispiele sind anschliessend beleuchtet:
- Meldung übertragbarer Krankheiten
- Meldung aussergewöhnlicher Todesfälle
- Meldepflicht von unerwünschten Vorkommnissen und Wirkungen im Zusammenhang mit Heilmitteln
- Auskunftspflicht gegenüber Unfallversicherern
- Meldung von Vorfällen, bei welchen ein Hund einen Menschen oder Tiere erheblich verletzte oder Anzeichen eines ausgeprägten Aggressionsverhaltens zeigte
- Meldepflicht von Gesundheitsschädigungen, die eventuell im Zusammenhang mit geleistetem Dienst stehen
Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche weitere Meldepflichten.
Melderechte
Bei einem Melderecht darf der Berufsgeheimnisträger einem spezifischen Empfänger ohne vorgängige Entbindung des Patienten Meldung erstatten. Er ist im Gegensatz zu der Meldepflicht nicht dazu verpflichtet, sondern nur berechtigt, zu berichten.
Beispiele für Melderechte sind im Anschluss dargelegt:
- Melderecht bei Erforderlichkeit dringender medizinischer Massnahmen und Zweifel an der Urteilsfähigkeit des Patienten
- Melderecht an die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) bei strafbaren Handlungen gegenüber Minderjährigen (bspw. das Verletzen der Fürsorgepflicht)
- Melderecht bei bestehenden oder drohenden suchtbedingten Störungen, namentlich bei Kindern und Jugendlichen
Ob ein solcher Vorfall gemeldet wird, ist dem Berufsgeheimnisträger selbst überlassen und liegt infolgedessen in eigenem Ermessen.
1. Schweizerische Eidgenossenschaft: Schweigepflicht, www.edoeb.ch (Abrufdatum: 24.06.2020)
2. Gesundheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt: Leitfaden zur beruflichen Schweigepflicht von Gesundheitsfachpersonen im Kanton Basel-Stadt, Oktober 2017