Als erste Schweizer Kantone wollten das Baselland und Basel-Stadt einen Ärztestopp einführen und eine Obergrenze für die im Kanton tätigen praxis- und spitalambulanten Ärzte/-innen in acht Fachbereichen festlegen. Die Privatklinik Birshof hat dagegen geklagt und vom Kantonsgericht Baselland nun Recht bekommen: Für die Zulassungsbegrenzung fehle die rechtliche Grundlage, so das Urteil.
Kantonsgericht hebt Obergrenzen für Ärzte/-innen auf
Im Frühjahr 2022 haben die beiden Basel in ihrer gemeinsamen Gesundheitsregion einen Zulassungsstopp für praxis- und spitalambulante Ärzte/-innen in acht Fachbereichen erlassen (wir berichteten). Gelten sollte die Begrenzung der Ärztezahlen überall dort, wo den Kantonen zufolge eine zu hohe Ärztedichte besteht. Zugelassen werden sollten neue Ärzte/-innen nur noch, wenn praktizierende Kollegen/-innen ihre Arbeit niederlegten. Die gemeinsame Zulassungssteuerung begann ab dem 1. April 2022.
Von den Obergrenzen war auch die private Hirslanden-Klinik Birshof im Baselland betroffen. Die Belegarzt-Klinik in Münchenstein ist auf Orthopädie und Traumatologie spezialisiert – beide Felder gehören zu den zulassungsbeschränkten Fachbereichen. Die Birshof-Klinik legte Klage vor dem Kantonsgericht ein und hat sich dort durchsetzen können. Das Urteil vom 18. Januar 2023 fiel einstimmig aus: Alle fünf Richter entschieden sich dafür, die Zulassungsbeschränkungen im Kanton Baselland aufzuheben.
Die Begründung: Mit der Limitierung der Zulassungszahlen habe die Kantonsregierung gegen das Legalitätsprinzip und die Gewaltenteilung verstossen. Es handele sich um einen schweren Eingriff in die Freiheitsrechte der Spitäler und Kliniken. Zwar haben die Kantone mit der letzten Revision des Schweizer Krankenversicherungsgesetzes (KVG) 2021 mehr Rechte erhalten und dürfen tatsächlich Massnahmen ergreifen, um die Zulassung von Ärzten/-innen zu steuern. Laut Kantonsgericht ist im Baselbiet dafür aber weiterhin das übliche Gesetzgebungsverfahren via Kantonsparlament nötig. Allenfalls hätte die Kantonsregierung eine Volksabstimmung veranlassen dürfen, das Handeln in Eigenregie sei dagegen nicht rechtens.
Folgende Fachbereiche waren von den Obergrenzen betroffen
Die Zulassungsbeschränkungen sollten in den folgenden acht Fachbereichen gelten:
Fachrichtung | Obergrenze in Vollzeitstellen |
Anästhesiologie | 48 |
Kardiologie | 43 |
Neurologie | 44 |
Ophthalmologie | 87 |
Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates | 104 |
Oto-Rhino-Laryngologie | 35 |
Radiologie | 66 |
Urologie | 27 |
Ärztestopp als Massnahme gegen steigende Gesundheitskosten
Mit dem Ärztestopp wollten das Baselland und Basel-Stadt gegen die stark steigenden Kosten im Gesundheitswesen vorgehen. In den zulassungsbeschränkten Bereichen würden die Angebote und damit auch die Kosten schnell wachsen, argumentierten der Basler Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger und sein Baselbieter Kollege Thomas Weber.
Die Gesundheitskosten und Krankenversicherungsprämien im Baselbiet und Basel-Stadt sind traditionell sehr hoch. Im Jahr 2020 betrugen die Ausgaben für den spital-ambulanten Bereich im Stadtkanton zum Beispiel 675 Franken pro versicherter Person. Laut Angaben der Gesundheitsdirektion lagen die Ausgaben damit 125 Franken oder 23 Prozentpunkte über dem Schweizer Durchschnitt. Die Obergrenzen sollten den Kostenanstieg in den acht betroffenen Fachgebieten um die Hälfte reduzieren. Die Kantone erhofften sich, auf diese Weise rund sieben Millionen Franken einzusparen.
Der Zulassungsstopp war zunächst für eine Übergangsphase von zwei Jahren geplant. Bis dahin sollte der Bund eine Regelung ausgearbeitet haben. Privatkliniken wie die Birshof-Klinik sehen sich vom Zulassungsstopp jedoch in ihrer unternehmerischen Freiheit beschränkt. Das Kantonsgericht stimmte dieser Ansicht nun zu.
Urteil mit Signalwirkung
Nach dem Urteil des Kantonsgerichts dürfen die Spitäler und Kliniken im Baselbiet wieder so viele Ärzte/-innen einstellen, wie sie für notwendig erachten. Weiterhin können alle Mediziner/innen ambulante Leistungen via Krankenkasse abrechnen.
Ob dieses Urteil auch für den Kanton Basel-Stadt gilt, steht aktuell noch nicht fest. Ans Bundesgericht kann der Fall nicht weitergezogen werden. Der Richterspruch betrifft jedoch nicht nur die beiden Basel, sondern hat Signalwirkung für die gesamte Schweiz. Auch andere Kantone sehen die Begrenzung der Zulassungszahlen nämlich als attraktives Mittel gegen die Überversorgung und steigende Kosten im Gesundheitssektor an. Wollen sie einen Ärztestopp erwirken, müssen sie allerdings erst ein Gesetz auf Basis des revidierten KVG von 2021 ausarbeiten.