Der Arztbrief ist im Arbeitsalltag einer Ärztin bzw. eines Arztes ein wichtiges Dokument. Er übermittelt relevante Informationen zwischen verschiedenen Schnittstellen, zum Beispiel zwischen einem Hausarzt und einem Facharzt oder zwischen verschiedenen Spezialisten. Das Medizinstudium geht allerdings kaum auf dieses Thema ein. Wie genau man Arztbriefe schreibt und worauf dabei zu achten ist, lernen die meisten Ärztinnen und Ärzte erst im Praktischen Jahr oder zum Berufseinstieg. Welche Inhalte das Dokument umfassen sollte und welche typischen Fehler es zu vermeiden gilt, zeigt dieser Artikel.
Inhaltsverzeichnis
Was ist ein Arztbrief?
Ärztinnen und Ärzte müssen in ihrem Berufsalltag vielfältigen Dokumentationspflichten nachkommen. Die Berufsordnung gibt unter anderem vor, dass die während der Berufsausübung getroffenen Feststellungen und Massnahmen aufzuzeichnen sind. Diese Aufzeichnungen dienen nicht nur als Gedächtnisstütze für die Ärztin oder den Arzt selbst, sondern auch dem Interesse der Patientenschaft.
Zur Dokumentationspflicht gehört das Verfassen von Arztbriefen. Viele Patientinnen und Patienten durchlaufen während ihrer Behandlung mehrere Stationen. Nach der ersten Diagnose durch den Hausarzt werden sie von Fachärzten oder im Krankenhaus weiterbehandelt, eventuell ist der Aufenthalt in einer Rehaklinik notwendig. Arztbriefe dienen dazu, die nachfolgenden Stationen über Anlass und Verlauf der Behandlung in Kenntnis zu setzen. Wichtige Bedeutung kommt dem Dokument auch bei juristischen Fragestellungen zu.
Im Krankenhaus werden häufig Studierende im Praktischen Jahr oder Assistenzärztinnen und Assistenzärzte mit dem Schreiben von Arztbriefen beauftragt. Oberärzte werfen dann noch einmal einen prüfenden Blick auf den Inhalt. Aus Datenschutzgründen dürfen Arztbriefe nicht per E-Mail verschickt werden. Um sich den langen Postweg zu sparen, geben Ärztinnen und Ärzte ihren Patientinnen und Patienten das Dokument meist direkt mit. Verliert der Patient das Schreiben, ist das kein Problem: Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte müssen Arztbriefe zehn Jahre lang aufbewahren, Kliniken 30 Jahre lang.
Arztbrief verfassen: Was gehört unbedingt hinein?
Der Inhalt eines Arztbriefs leitet sich aus ihrer Funktion ab: Die Dokumente sollen weiter- oder mitbehandelnde Ärztinnen und Ärzte auf den aktuellen Stand der Behandlung bringen. Dementsprechend dokumentieren sie das bisherige Behandlungsgeschehen, gehen auf die Krankengeschichte der Patienten, erfolgte Untersuchungen und Untersuchungsergebnisse ein. Weiterhin werden Diagnosen aufgeführt und Vorschläge für Therapie und Weiterbehandlung gemacht.
Länge
Für Umfang und Aufbau eines Arztbriefs gibt es keine eindeutigen Vorgaben. Die Länge hängt von der Komplexität der jeweiligen Situation ab. Generell gilt die Faustregel: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Gute Arztbriefe stellen Krankengeschichte, Diagnosen und Therapievorschläge in knapper, aber korrekter und nachvollziehbarer Form dar.
Struktur
Eine klare und übersichtliche Struktur erleichtert die Lesbarkeit. Üblicherweise umfassen Arztbriefe die folgenden Abschnitte:
1. Einleitung: umfasst Datum und Ort der Erstellung, Anrede des Weiterbehandelnden, Name, Geburtsdatum und Wohnort des Patienten sowie bei stationärer Behandlung eine kurze Erklärung, von wann bis wann sich der Patient auf Station befand.
2. Diagnosen: geordnet nach Relevanz, beginnend mit der Hauptdiagnose, die zur Aufnahme geführt hat. Diagnosen aus vorigen Arztbriefen sollten kritisch geprüft werden. Symptome gehören nicht in diesen, sondern in den folgenden Abschnitt.
3. Anamnese, gegliedert in die folgenden Unterpunkte:
- aktuelle Anamnese mit Symptomen und Beschwerden
- Vorgeschichte des Patienten mit Übersicht über die zeitliche Entwicklung der Symptome
- Einnahme von Medikamenten, Genuss- und Suchtmitteln
- Familien- und Sozialanamnese
4. Körperlicher Untersuchungsbefund der Aufnahmeuntersuchung, bestehend aus den folgenden Punkten:
- allgemeiner Eindruck
- Vitalparameter wie Blutdruck, Herzfrequenz, Körpertemperatur, Sauerstoffsättigung und Blutzucker
- Befunde wichtiger Organsysteme
- Gefässstatus
- Bewegungsapparat
- neurologische Befunde
5. Weitere Diagnostik und Befunde: etwa EGK, Laborbefunde oder die Ergebnisse bildgebender Untersuchungen, der besseren Übersicht wegen in chronologischer Reihenfolge.
6. Beurteilung und Verlauf: Interpretation der Anamnese und Untersuchungsergebnisse. In diesen Abschnitt gehören die Verdachtsdiagnose und ihre Begründung, die Beschreibung der bisherigen Behandlung und des Therapieverlaufs.
7. Medikation und Entlassung: führt Wirkstoffe, Darreichungsform, Dosis, Einnahmeschema und Einnahmedauer der verschriebenen Medikamente auf.
8. Weiteres Prozedere: In diesen Abschnitt gehören Informationen über das geplante weitere Vorgehen, Termine für Kontrolluntersuchungen und ähnliches.
9. Abschluss: Grussformel, Name und Unterschriften der behandelnden Ärztinnen und Ärzte, Oberärztinnen und Oberärzte und der Chefärztin oder des Chefarztes.
10. Epikrise: Bei längeren Arztbriefen ist es vorteilhaft, die wichtigsten Informationen aus Anamnese, Beurteilung, Verlauf und weiterem Prozedere kurz zusammenzufassen.
11. Anhang: Ausführliche Arztbriefe können zusätzlich mit einem Anhang versehen werden. Zu den möglichen Anlagen gehören Befunde, Laborwerte oder Beobachtungen während des Therapieverlaufs.
Die Reihenfolge der Abschnitte ist nicht festgelegt. Einleitung, Diagnosen und Anamnese sollten jedoch am Anfang stehen.
Arztbrief: Tipps für Ausdruck und Stil
Verfasst werden Arztbriefe in der dritten Person Singular (er, sie, es) und der ersten Person Plural (wir). Da Ärztinnen und Ärzte im Arbeitsalltag wenig Zeit für das Lesen von Arztbriefen haben, sollten die wichtigsten Informationen kurz und knapp zusammengefasst werden. Darunter darf die Verständlichkeit allerdings nicht leiden. Unklare Ausdrücke und sperrige Floskeln sowie Schachtelsätze sind zu vermeiden. Gleiches gilt für mehrdeutige oder wenig gebräuchliche Abkürzungen.
Die Anamnese wird stets in ganzen Sätzen verfasst, in der Vergangenheitsform und im Konjunktiv. Zur besseren Übersichtlichkeit werden einzelne Abschnitte mit Überschriften versehen. Die verfassenden Ärztinnen und Ärzte sollten zudem darauf achten, Vorschläge und Empfehlungen zur weiteren Behandlung nicht als Anweisungen zu formulieren.
Beim Verfassen von Arztbriefen ist es hilfreich, sich in die Rolle des Empfängers zu versetzen. Welche Informationen müssen die Lesenden unbedingt erhalten? Wie sind die Arztbriefe gestaltet, die man bei der Aufnahme eines Patienten selbst gerne liest? Vorherige Arztbriefe eines Patienten können zur Orientierung dienen. Allerdings sollten bisherige Diagnosen stets sorgfältig geprüft und Daten, falls nötig, aktualisiert werden.
Typische Fehlerquelle im Arztbrief: unklare Formulierungen
Leider ist längst nicht jeder Arztbrief so verständlich, wie er sein sollte. In einer Untersuchung des Linguisten Dr. Sascha Bechmann von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf geben 95,9 Prozent von 175 befragten Hausärzten an, schon einmal missverständliche Arztbriefe erhalten zu haben. Häufige Kritikpunkte sind unverständliche Abkürzungen, ungefilterte Sammlungen von Befunden, überflüssige Nebendiagnosen und Floskeln.
88 Prozent der Hausärzte gehen davon aus, dass missverständliche Arztbriefe zu Behandlungsfehlern führen können. Wer einen Arztbrief nicht genau versteht, sollte daher lieber beim Verfasser nachfragen. Im Arbeitsalltag fehlt dafür allerdings häufig die Zeit. Damit den Kolleginnen und Kollegen das Grübeln erspart bleibt, sollte man sich um möglichst klare und eindeutige Formulierungen bemühen, die keinen Raum für Missverständnisse lassen.