Hat die Corona-Krise Einfluss auf den Alkoholkonsum? Frühere Studien zum Alkoholkonsum während Krisenzeiten legen dies nahe. Gefährdet dürften demnach vor allem Gruppen sein, die bereits zuvor ein problematisches Konsumverhalten aufgezeigt haben oder beruflich unter Stress stehen. Davon betroffen ist vermutlich aus medizinisches Personal. Das erklärt die gemeinnützige Stiftung “Sucht Schweiz” im einem Briefing Paper zum Thema Alkohol.
Wie wirkt sich die Corona-Krise auf den Alkoholkonsum aus?
Ein Blick ins Nachbarland Deutschland zeigt mögliche Auswirkungen der Corona-Krise auf den Alkoholkonsum. Dem Marktforschungsinstitut GFK zufolge wurden zu Beginn der Infektionswelle, von Ende Februar bis Anfang März 2020, rund ein Drittel mehr Weinflaschen verkauft als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Bei Spirituosen wie Gin und Korn verzeichnete der Einzelhandel einen Anstieg von 31,2 Prozent. Zu bedenken ist dabei jedoch, dass gastronomische Betriebe geschlossen wurden. Der Alkoholkonsum könnte sich also einfach von der Kneipe ins eigene Heim verlagert haben.
Frühere Studien zum Alkoholkonsum in Krisenzeiten deuten allerdings darauf hin, dass gewisse Teilgruppen der Bevölkerung aktuell stressbedingt häufiger zu alkoholischen Getränken greifen. Darauf macht “Sucht Schweiz” aufmerksam. Zu erwarten ist demnach, dass der Alkoholkonsum in der Gesamtbevölkerung zurückgeht. Bei Personen mit bereits problematischem Suchtverhalten wird sich der Alkoholkonsum dagegen vermutlich verschlimmern. Ähnlich sieht es bei Bevölkerungsgruppen aus, die jetzt unter besonders grossem Stress stehen.
Bei diesen Gruppen könnte der Alkoholkonsum steigen
Gefährdet sind laut “Sucht Schweiz” vor allem die folgenden Personengruppen:
- Personen, die bereits vor Ausbruch von COVID-19 verstärkt Alkohol konsumiert und diesen zur Stressreduzierung gebraucht haben. Dies betreffe insbesondere Männer und Personen mit niedrigem formalen Bildungsstand und geringem Einkommen. Ein zusätzliches Risiko besteht, wenn der Alltag dieser Personengruppe durch Heimarbeit oder Arbeitslosigkeit weniger strukturiert ist. Durch die geltenden Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen fallen zudem soziale Kontakte und damit ein Teil der sozialen Kontrolle weg.
- Personen, die einem besonders starkem Infektionsrisiko ausgesetzt sind. Das betrifft etwa medizinisches Personal sowie Personal im Verkaufs- und Transportwesen. Wer im Gesundheitsbereich arbeitet, sieht sich nicht nur mit langen Arbeitszeiten konfrontiert, sondern auch mit seelisch belastenden Situationen wie Leid und Todesfällen.
- Personen, die COVID-Fälle im eigenen Umfeld miterlebt haben, aber zur Vermeidung einer Ansteckung nicht helfen konnten.
“Sucht Schweiz”: Corona-Krise führt zu jahrelangen psychischen Problemen
Für Suchtkranke kommt erschwerend hinzu, dass Beratung und Behandlung momentan nur eingeschränkt möglich sind. Der persönliche Kontakt hat sich zum grossen Teil auf die Fernberatung, etwa per Telefon, verlagert. “Sucht Schweiz” zufolge könnte diese Form der Beratung allerdings weniger wirkungsvoll sein.
Die gemeinnützige Stiftung geht davon aus, dass die Corona-Pandemie ähnlich wie andere Krisen bei vielen Menschen zu vielfältigen psychischen Problemen führt, deren Folgen jahrelang anhalten werden. Daher brauche es gerade jetzt Ansätze für die Früherkennung von Suchterkrankungen und geeignete Präventionsmassnahmen, die auch über den Lockdown hinaus bestehen bleiben.