Von Januar bis Mai 2021 hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) in der Schweiz eine ungewöhnliche Häufung von Hepatitis-E-Fällen (HEV) verzeichnet. Die Infektionszahlen lagen drei Mal so hoch wie im gleichen Zeitraum in den Vorjahren. Eine konkrete Infektionsquelle konnte nicht identifiziert werden, dennoch warnt das BAG vor dem Verzehr von rohem Schweinefleisch und ungegarten Wildschweinprodukten.
Hepatitis-E: Drei Mal so viele Fälle wie in den Vorjahren
Über die gesamte Schweiz verteilt erfasste das BAG für den Zeitraum von Januar bis Mai 2021 insgesamt 105 Fälle von HEV. Im Vergleich zu den drei zurückliegenden Jahren entspricht dies fast einer Verdreifachung der Infektionszahlen. Überwiegend waren Männer betroffen, sie stellten 64 Prozent der Infizierten. Die Altersverteilung erstreckte sich von 18 bis 87 Jahren, das Durchschnittsalter der Erkrankten lag bei 54 Jahren. Mehr als die Hälfte der Meldungen (56 Prozent) ging nach Untersuchungen von Blutspenden ein.
Die Fälle traten über die ganze Schweiz verteilt auf. 85 Prozent der Betroffenen wohnen in Gemeinden mit weniger als 30’000 Einwohnern. Eine konkrete lokale Häufung lässt sich jedoch nicht erkennen. In 30 Prozent der gemeldeten Fälle verlief die Infektion symptomlos. 29 Betroffene mussten im Krankenhaus behandelt werden. Zwei Personen verstarben im Zusammenhang mit der HEV-Infektion. Seit April 2021 gehen die Zahlen wieder auf das Vorjahresniveau zurück.
HEV: Ursachen und Übertragung
Bei HEV handelt es sich um eine akute Entzündung der Leber, die durch ein magensaftresistentes RNA-Virus verursacht wird. Die Übertragung erfolgt hauptsächlich über kontaminiertes Trinkwasser und verunreinigte Lebensmittel. In den Industrieländern sind die HEV-Genotypen 3 und 4 vorherrschend. In der Regel heilt eine HEV-Infektion von allein aus. Chronische Verläufe sind selten, bei schwangeren Frauen besteht allerdings ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf.
HEV ruft die typischen Symptome einer viralen Leberentzündung hervor. Dazu gehören Gelbsucht, Fieber, Oberbauchbeschwerden, Appetitlosigkeit, Erbrechen, allgemeines Unwohlsein, Dunkelfärbung des Urins und Entfärbung des Stuhls. Als atypische Krankheitsanzeichen können neurologische Probleme auftreten. Mediziner schätzen, dass rund 90 Prozent aller Fälle symptomfrei verlaufen und ohne Behandlung abheilen. Die Diagnose stellt man mittels Antikörpertest, die Therapie richtet sich nach den auftretenden Symptomen.
Die mittlere Inkubationszeit beträgt 40 Tage. Wie lange Betroffene nach Ausbruch der Infektion andere Personen anstecken können, ist noch nicht eindeutig geklärt. Im Stuhl kann das Virus rund eine vor bis vier Wochen nach Beginn der Erkrankung nachgewiesen werden.
In der Schweiz sind alle Fälle von Hepatitis-E meldepflichtig. Wurde das Virus mittels eines PCR-Tests nachgewiesen, müssen die Ergebnisse an die Gesundheitsbehörden übermittelt werden. Blutspenden werden seit dem 1. Juli 2018 auf HEV untersucht.
Hepatitis-E: Keine konkrete Infektionsquelle identifiziert
Die häufigste Infektionsquelle für HEV-Erkrankungen in der Schweiz sind kontaminierte Nahrungsmittel. Für den aktuellen Ausbruch konnte das BAG keine spezifischen Lebensmittel identifizieren. Allerdings lassen sich die erfassten Infektionen auf einen Subtyp zurückführen, der in der Schweizer Schweinepopulation vorkommt. Ein direkter Zusammenhang zwischen den Infektionsfällen und kontaminierten Schweinefleischprodukten lässt sich zwar nicht verifizieren, einzelne Befragungen und Analysen zeigen aber, dass eventuell Leberwurst und Streichleberwurst sowie rohe Schweineleber bei den steigenden Infektionszahlen eine Rolle gespielt haben. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) prüft derzeit, welche Massnahmen sich in der Fleischproduktion und -verarbeitung treffen lassen, um eine Ausbreitung von HEV zu verhindern.
Das BAG rät dazu, Erzeugnisse aus Schweinefleisch und Wildschweinfleisch nicht roh oder ungenügend gekocht zu verzehren. Das gilt insbesondere für immunsupprimierte Personen, Senioren, Schwangere, Kinder und Patienten, die an einer Lebererkrankung leiden. Grundsätzlich sollten alle Fleischprodukte durchgegart werden. Hepatitis-E ist allerdings recht hitzeresistent, ein kurzes Aufkochen oder Anbraten reichen nicht aus, um das Virus abzutöten. Wie Studien zeigen, muss man Lebensmittel für mindestens 20 Minuten auf eine Kerntemperatur von 70 °C erhitzen, um das Virus vollständig zu inaktivieren. Tiefkühlen kann dem Virus ebenfalls nichts anhaben.