Eine barrierefreie Arztpraxis ist für zahlreiche Behinderte unerlässlich, um gleichgestellt medizinische Leistung in Anspruch nehmen zu können. Für Betroffene ist es vielerorts schwierig, sich im öffentlichen Leben zurechtzufinden, weil zahlreiche Barrieren teilweise unüberwindbare Hindernisse darstellen. Einen schwerwiegenden Bereich machen Arztpraxen aus. Zahlreiche Behinderte meiden den Arztbesuch, wenn sie nicht wissen, ob sie überhaupt Zugang zu den Praxisräumen erhalten und sich mitteilen können. Hier besteht dringender Handlungsbedarf seitens niedergelassener Ärzte. Mit den richtigen Tipps, ist zu erfahren, wie eine barrierefreie Arztpraxis optimal zu gestalten ist.
Website für barrierefreie Arztpraxis
Wie Menschen ohne körperliche oder kognitive Einschränkungen, nutzen auch Behinderte das Internet, um sich über Ärzte/Fachärzte zu informieren. Dies ist oftmals der erste Schritt zu einem geplanten Arztbesuch. Damit sie ihr Ziel erreichen, ist eine barrierefreie Website erforderlich. Das bedeutet, diese bietet Sprachtexte, anstelle von bildlich dargestellten Informationen und Funktionen. Texte sollten einfach lesbar mit extra grosser Schrift und leicht verständlich sein. Eine klare, simple Struktur, hohe Kontraste und Farbintensitäten erleichtern behinderten Menschen die Sichtbarkeit und das Verstehen. Die Menüführung ist unkompliziert und die Website verfügt bereits auf der Frontpage über einen Button zur Online-Kontaktaufnahme beziehungsweise Terminvereinbarung.
Viele behinderte Patienten nehmen dies allerdings nur in Anspruch, wenn sie bereits zuvor erfahren haben, ob sie mit Handicap überhaupt auf eine barrierefreie Arztpraxis treffen. Deshalb ist es angeraten, auf der Frontpage diese Information auffallend deutlich, als Text zu positionieren. Alternativ ist eine gesonderte Frage danach zu inkludieren, die sich unaufgefordert öffnet und per Sprache generell nach einer eventuellen Behinderung fragt, um automatisch die barrierefreie Website zu aktivieren.
Behindertengerechte Parkplätze
Ideal ist ein der Praxis angeschlossener Parkplatz, auf dem behindertengerechte Stellplätze zur Verfügung stehen. Hier ist auf die bestmögliche Nähe zum Praxiseingang sowie Parkplatzbreite für Patienten mit Gehhilfen und Rollstühlen zu achten.
Ist kein eigener Parkplatz vorhanden oder die behindertengerechte Umsetzung unmöglich, kann im näheren Umfeld nach diesen gesucht werden. Bei der Suche und kostenlose Bereitstellung von Schwerbehindertenparkplätzen ist zudem das Strassenverkehrsamt ansprechbar. Eine entsprechende Richtungsausschilderung an der Praxis und genaue Lagebeschreibung auf der Website erleichtern behinderten Menschen die Parkplatzsuche.
Barrierefreier Praxiszugang
Für sehbehinderte Patienten ist die Sichtbarkeit der richtigen Praxisadresse erforderlich. Ein grosses, gut lesbares Praxisschild sollte sich direkt neben dem Gebäudeeingang befinden. Um in dieses und schliesslich zu den Praxisräumen zu gelangen, sind Rampen oder im Inneren ein Fahrstuhl für höher gelegene Praxisräume zur Verfügung zu stellen. Treppen sorgen mit speziellen Stufenmarkierungen mehr Sichtbarkeit für Patienten mit Sehschwäche. Handläufe sind an allen Treppenanlagen und Einzelstufen unerlässlich für ein sicheres Betreten. Im Treppenhaus sowie im Fahrstuhl sind ebenfalls richtungsweisende sowie gut lesbare und unübersehbare Schilder anzubringen.
An der Praxistür angekommen, ist diese barrierefrei, wenn sie bequem mit Rollstuhl und Kinderwagen zu passieren ist. Eine automatische Öffnung wie beispielsweise einen „Behinderten-Button“ oder zumindest eine Klingel sind unerlässlich, wenn die Türöffnung schwierig bis unmöglich für gehandicapte Patienten ist.
Barrierefreier Empfangsbereich
Nachfolgend wertvolle Tipps für die barrierefreie Arztpraxis im Empfangs- und Anmeldebereich:
- Gut leserliche Schriftarten, kontrastreiche Farben und grosse Schriftgrössen bei Namens- und Informationsschildern nutzen
- Niedrige Tresen verwenden und Objekte aus dem Thekenbereich entfernen
- Bereitstellung von Gehhilfen, Rollstuhl, Lese- und Vergrösserungshilfen sowie Hörgeräte beziehungsweise induktive Höranlagen
- Spezielle, behindertengerechte und robuste Sitzmöglichkeiten mit Extrabreite anbieten
- Warnmelder visuell hervorheben
Barrierefreie Praxisräume
Die Liste von möglichen barrierefreien Massnahmen in Praxisräumen ist lang. Sie erstreckt sich über folgende Faktoren:
- Grosse Bewegungsflächen schaffen und auf mögliche Stolperfallen verzichten, wie beispielsweise Dekorationen, Möbelstücke inmitten von Flächen oder Warenkartons
- Unverzichtbare Hindernisse wie Feuerlöscher, Zeitungshalter oder Kleiderständer farblich auffallend und vom Rest abgrenzend gestalten
- Glastüren mit grossen Schriftzügen oder Plakaten versehen
- Deutlich von den Türen abhebare Wandfarben wählen
- Kontraststarke, grosse Beschriftungen der einzelnen Praxisräume nutzen
- Türgriffe sind aus Sitzposition zu öffnen und zeichnen sich deutlich durch eine andere Farbe von den Türen ab
- Rollstuhlgerechte Türen anbringen
- Blendfreie Beleuchtungen verwenden
- Gut erkennbare Bodenrichtungsweiser anbringen, beispielsweise durch Pfeil- und Symbolsysteme oder unterschiedliche Bodenbeläge
Barrierefreie Arztpraxis im Wartebereich
Damit gehandicapte Patienten wissen, wann sie wo hinmüssen und sich im Wartezimmer sicherer fühlen, sind diese Tipps zu berücksichtigen:
- Extra laute Gegensprechanlage oder optische Massnahmen zum Patientenaufruf, wie beispielsweise digitales Nummernsystem einführen oder über Monitor kommunizieren
- Freie Standflächen für Rollstuhlfahrer einrichten/freihalten
- Informationsmaterialien und Plakate auf eine Maximalhöhe von 140 Zentimeter positionieren
- Behindertengerechte Stühle mit und ohne Armlehnen in bestmöglicher Nähe der Behandlungsräume
- Sitzbereiche an den Wänden anordnen und Innenbereich des Warteraums frei halten
- Halterungsanlagen für Gehhilfen zur Verfügung stellen
Barrierefreier Sanitärbereich in den Arztpraxen
Der Gang zum Sanitärbereich stellt ein besonders hohes Unfallrisiko für behinderte Personen dar. Deshalb umfassen barrierefreie Arztpraxen folgende Mindestanforderungen:
- Anbringung von WC-Stützhalterungen
- Auf Waschbeckenunterbauten verzichten, damit Rollstuhlfahrer darunter fahren können
- Niedrige Anbringung von Handtuch- und Toilettenpapierhalterungen sowie Spiegel, alternativ verstellbare Spiegel
- Breite Türeingänge und gegebenenfalls rollstuhlgerechte Einzelkabinen von mindestens 120 × 120 Zentimetern
- Grundsätzlich sollten Türen in der gesamten Praxis für den Notfall von aussen aufschliessbar sein
- Notfall-Button montieren
Behindertenorientierte Schulungen für Team-Verhalten
Häufig hapert es am behindertengerechten Umgang der Medizinischen Fachangestellten, weil es an Erfahrungen und Kenntnissen fehlt. Eine geeignete Kommunikation sowie Handlungsweisen sind lernbar und erleichtern beiden Seiten das Verständnis füreinander durch:
- Namen deutlich und laut mitteilen
- Nutzung leichter Sprache/Wörter und einfacher Kurzsätze
- Erlernen der Gebärdensprache
- Verständliche Erklärungen von Fachbergriffen, Behandlungen, Handlungsweisen, Wartezeiten, Terminierungen
- Fragen stellen, um das korrekte Verständnis zu prüfen
- Druckauslösung vermeiden, sondern geduldig agieren
- Unterstützung anbieten/Hilfestellung erfragen
- Schreibmöglichkeiten bereithalten