In der Schweiz kommen junge Ärztinnen und Ärzte in der Regel nicht an einem Dienst in der Notaufnahme umher. Steht der erste Dienst bevor, kommen bei zahlreichen Jungärzten Unsicherheit und Nervosität auf. In der Notfallambulanz entscheiden Reaktionsschnelligkeit und professionelles Handeln vielfach über die Überlebensfähigkeit von Patientinnen und Patienten.
Inhaltsverzeichnis
Ob Innere Medizin, Chirurgie, Urologie, Gynäkologie oder Pädiatrie – die Notfallaufnahme umfasst alle medizinischen Fachrichtungen, die eine besondere Herausforderung für Jungärzte ohne Erfahrungen in den Spitälern bedeuten. Um besonnen und mit gestärktem Selbstbewusstsein den ersten Dienst antreten zu können, sollten sich Ärztinnen und Ärzte gut vorbereiten und einige Tipps beherzigen.
Für Notaufnahme vorbereiten
Steht der erste Einsatz in der Notfallambulanz auf dem Dienstplan, gilt es Ruhe zu bewahren und sich nicht von Ängsten sowie Unsicherheiten leiten zu lassen. Die Zeit bis zum Ersteinsatz sollten Ärztinnen und Ärzte in eine gute Vorbereitung investieren und folgende Details dabei beachten:
Örtliche Gegebenheiten der Notaufnahme
Um bei akuten und vor allem lebensbedrohlichen Notfällen ohne unnötigen Zeitverlust agieren zu können, sollten Ärztinnen und Ärzte die örtlichen Gegebenheiten bestmöglich kennen. Das umfasst die Räumlichkeiten ebenso wie die Lagerungen von medizinischen Instrumenten und Geräten sowie Versorgungsmaterialien. Gilt es beispielsweise eine starke Blutung zu stoppen, könnte es fatale Folgen für einen Notfall-Patienten haben, wenn der diensthabende Notfallarzt keine erfahrenen Mitarbeiter an der Seite hat und wichtige Minuten für die Suche von entsprechendem Medizinbedarf vergehen. Mit anderen Worten: Wer als Ärztin oder Arzt das erste Mal in der Notfallambulanz tätig sein wird, geht vorher jede Räumlichkeit ab und prägt sich die wichtigsten Details ein. Ein beruhigendes Gefühl ist zudem zu erzielen, wenn sich nochmals kurz vor Dienstbeginn über die ausreichenden Bestände vergewissert wird.
Abläufe erfragen
In zahlreichen Fällen gibt es bestimmte Abläufe, die auf jahrelangen Erfahrungswerten basieren. Diese sind in der Regel situationsabhängig. Während beispielsweise die Klärung der Krankenversicherung bei lebensgefährlichen Verletzungen zweitrangig hinter erforderliche lebensrettende Massnahmen einzustufen ist, haben die Fragen nach persönlichen Daten und Krankenversicherungsschutz bei einem Patienten mit kleiner Schnittwunde am Finger Vorrang. Polytrauma-Patienten sind zügig einem CT und Laboruntersuchungen zu unterziehen und Kollegen aus der Intensiv, Anästhesie und dem OP-Bereich zu informieren. Weitere Vorgehensabläufe beziehen sich unter anderem darauf, wann Röntgenaufnahmen notwendig sind, eine stationäre Aufnahme bestimmt wird und/oder wann Fachspezialisten im Bereitschaftsdienst hinzugezogen werden.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Notaufnahme
Wer neu in der Notfallambulanz tätig wird, kennt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meist nicht oder nur flüchtig. Hier sollten sich Jungärzte frühzeitig vorstellen und die jeweiligen Aufgabenverteilungen und Verantwortlichkeiten erfragen. Es ist wichtig für einen reibungslosen Verlauf bei einem Notfall, dass Hand-in-Hand als Team gearbeitet wird. Außerdem sollte die Ärztin/der Arzt in jeder Situation seine Ansprechpartner kennen beziehungsweise wissen, an wen sie/er was delegieren kann. Ebenso können Ratschläge erfahrener Notfall-Pfleger/innen hilfreich sein, wobei allerdings nicht zu vergessen ist, dass der diensthabende Arzt die grundsätzliche Verantwortung besitzt.
Telefonnummern und diensthabende Ärzte
In der Notaufnahme ist nie vorherzusagen, welche Art von Notfällen eintreffen. Ein Migräneanfall und ein umgeknickter Fuss dürften für die Ärztin/den Arzt keine wesentlichen Probleme darstellen. Wenngleich auf jeder Abteilung im Spital normalerweise eine Telefonliste aller Stationen sowie Diagnostik- und Laborabteilungen vorhanden sind, sollte sich der Arzt davon im Vorfeld auch überzeugen beziehungsweise eine eigene Liste anfertigen.
Was ist, wenn ärztliche Unterstützung beispielsweise bei einer Massenkarambolage dringend benötigt wird? Dann ist von grosser Bedeutung, eine Telefonnummernliste aller verfügbaren und für den absoluten Notfall auch dienstfreie Spezialisten erreichen zu können. Denn nicht vergessen: die Verantwortung für Notfälle liegt einzig bei der/dem diensthabenden zuständigen Ärztin/Arzt.
Organisation und Zusammenarbeit
Neben des Kennenlernens der Pflegekräfte und ihren jeweiligen Funktionen ist eine gute Organisation und Zusammenarbeit mit ihnen von enormer Wichtigkeit. Notaufnahmen sind häufiger stark überfüllt. Dann ist es erforderlich, die Dringlichkeiten von Behandlungen und Notfallversorgungen abzuwägen. In der Regel übernehmen die Pflegekräfte hier bereits die Aufnahme der Beschwerden und Festlegung der Behandlungsreihenfolge. Auf diese Weise kann sich die Ärztin bzw. der Arzt vornehmlich der Untersuchungen und Behandlungen konzentrieren. Vor dem ersten Dienstbeginn in der Notfallaufnahme sollte man dies mit dem Pflegepersonal klären, beziehungsweise dieses organisatorische Detail besprechen. Der „fliegende Wechsel“ von Patienten zum nächsten kann die Wartezeiten der Patienten verkürzen und eine sinkende Stimmung im Wartebereich verhindern.
Damit keine medizinischen und personenbezogene Daten der behandelten Patienten „verloren“ gehen, ist auch hier auf eine gute Organisation zu achten. Zeit spielt eine grosse Rolle, doch sollte sich diese jeder Ärztin und jeder Arzt für die vollständige Anlegung von Patientenakten nehmen. Wenn Nervosität den ersten Notfalldienst begleitet, fällt manchen Ärztinnen und Ärzte das Zuhören und gleichzeitige Mitschreiben der Angaben schwer. Deutlich effektiver und vor allem fehlerfreier ist für viele Jungärzte, die kleinen Pausen zwischen den Patientenwechseln für die Daten-, Untersuchungs- und Behandlungseingaben zu nutzen. Wo noch Untersuchungsergebnisse ausstehen, können kleine „Erinnerungsnotizen“ hilfreich sein. Insbesondere während hektischer Dienste kann man ansonsten Patienten „vergessen“, denn auch erfahrene Ärztinnen und Ärzte und routinierte Abteilungen sind nicht perfektionistisch fehlerfrei.
Umgang mit Patientinnen und Patienten
Für die meisten Patienten sind die eigenen Beschwerden immer die schlimmsten und ihr Verlangen nach vorrangiger oder zumindest zügigen Notfall-Behandlung überwiegend gross. Kippt die Stimmung von Patienten oder deren Begleitungen, kann dies zu Unannehmlichkeiten führen und negative Auswirkungen auf den reibungslosen weiteren Verlauf nehmen. Umso wichtiger ist es, dass jeder Patient bereits im Wartebereich mit Verständnis und Mitgefühl entgegengetreten wird.
Das sollte sich auf die Behandlungen ausdehnen. Jedem Patienten sollte das Gefühl vermittelt werden, dass er/sie als Person und seine/ihre Beschwerden ernst genommen werden. Dadurch kann die Ärztin/der Arzt oft viel Zeit für langwierige Diskussionen einsparen und das Risiko unzufriedener Patienten senken. Das fördert wiederum einen ruhigeren Dienstablauf, selbst bei hohem Patientenaufkommen in der Notaufnahme.