Die Demenz ist eine in unserer alternden Gesellschaft zunehmend anzutreffende Erkrankung des Nervensystems, die sowohl das Gesundheitssystem als auch die Betroffenen und deren Familien vor große Herausforderungen stellt. Sie äußert sich durch einen fortschreitenden und unwiderruflichen Verlust verschiedener Gehirnfunktionen, allem voran des Gedächtnisses und der Orientierung. Demenz ist eine zum Tode führende Krankheit, die in ausgeprägten Fällen mit Pflegebedürftigkeit einher geht.
Dieser Artikel gibt einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Demenzformen, mit ihren Ursachen und Therapieoptionen und beschreibt Möglichkeiten zur Demenzprävention.
Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste auf einen Blick
1. Demenz betrifft vorrangig Personen im fortgeschrittenen Alter. Insbesondere ausgeprägte Formen erfordern verlässliche Versorgungsstrukturen und belasten die Betroffenen und ihr Umfeld sehr.
2. Es existieren nur wenige Therapieoptionen, dafür jedoch viele Präventionsmöglichkeiten. Etwa 40 Prozent der Demenzerkrankungen sind auf vermeidbare Risikofaktoren zurückführbar.
3. Wichtiger als eine Therapie der Demenzsymptome ist die Akzeptanz der Erkrankung und eine liebevolle Begleitung der Patienten, die ihren Bedürfnissen gerecht wird.
Demenz – Formen
Es gibt verschiedene Formen der Demenzerkrankung, die oft überlappend vorliegen. Dies kann die Diagnose erschweren. Im Folgenden werden die häufigsten Formen aufgelistet:
- Alzheimer-Demenz, die häufigste Demenzform, entsteht durch genetische Veranlagung und führt zu Ablagerungen von Eiweissplaques im Gehirn. Dies hat zur Folge, dass Nervenzellen nach und nach absterben. Anfangs ist zunächst das Kurzzeitgedächtnis betroffen.
- Vaskuläre Demenz (gefäßbedingte Demenz) resultiert aus Ablagerungen in den Blutgefäßen und damit einhergehenden Durchblutungsstörungen des Gehirns. Es kommt zur Unterversorgung des Gehirn, die Nervenzellen sterben ab. Erhöhtes Risiko besteht nach einem Schlaganfall. Anfangs kommt es zu Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen.
- Fronto-Temporale Demenz betrifft den vorderen Bereich des Gehirns, der vor allem die Affektkontrolle reguliert und das Verhalten steuert. Patienten zeigen oft zunehmende Veränderungen ihrer Persönlichkeit und sprachliche Probleme, während die Gedächtnisfunktion lange erhalten bleibt.
- Demenz mit Lewy-Körperchen entsteht durch Eiweissablagerungen, sogenannte Lewy-Körperchen, in der Grosshirnrinde, die aber anders als bei der Alzheimer-Krankheit verläuft. Schon früh verursacht diese Form bei den Patienten optische Halluzinationen, Schwankungen der Aufmerksamkeit, Bewegungsstörungen und Konzentrationsprobleme.
Weitere Demenz-Formen sind vor allem Pseudo-Demenzen, die bei Depressionen oder Stoffwechselerkrankungen auftreten können. Diese müssen von den vorgenannten Demenzen abgegrenzt werden.
Was ist der Unterschied zwischen Alzheimer und Demenz?
Während der Begriff der Demenz sämtliche Demenzformen in sich vereint, handelt es sich beim Morbus Alzheimer um die häufigste Unterform der Demenzen, also um eine konkrete Erkrankung. Somit ist der Begriff der Demenz vom Alzheimer-Typ wesentlich enger gefasst als der allgemeine Oberbegriff „Demenz“.
Demenz – Symptome
Die Symptome einer Demenz beginnen oft schleichend und können je nach Tagesform und sonstigen Umständen stark variieren. Gelegentliche Vergesslichkeit, plötzliche Probleme mit der Orientierung und der Sprache oder beim Erkennen bekannter Personen und Wesensveränderung können auf die Krankheit hinweisen. Weitere Anzeichen, die bei Unkenntnis des Krankheitsverlaufs oft falsch gedeutet werden, sind ein nachlassender Appetit und das allmähliche Einstellen der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme.
Insbesondere bei zugrundeliegender Durchblutungsstörung im Gehirn kann ein Wasserverlust durch Infekt oder zu geringe Trinkmenge schnell eine zunehmende Verwirrung der Betroffenen auslösen. Menschen im höheren Alter, die dann ins Krankenhaus eingeliefert werden, können sich dort im Vergleich zur ihrer gewohnten Umgebung nur schwer zurechtfinden. Im ungünstigsten Fall kann es zu einem Delir mit Aggressivität, Schreien und Verzweiflung der Betroffenen kommen. Auch „stille“ Delirformen sind möglich. Dabei sind die Patienten auffallend in sich gekehrt und ruhig, teils regelrecht apathisch werden.
Demenz – Ursachen
Wenngleich genetische Veranlagungen als Ursache für die Entwicklung einer Demenz in Frage kommen, so lassen sich etwa 40 Prozent aller Demenzerkrankungen weltweit auf vermeidbare Risikofaktoren zurückführen. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass die Auswirkungen einer ungünstigen Lebensweise oft erst Jahrzehnte später sichtbar werden. Aus diesem Grund sollte frühestmöglich nach individuellen Risiken gefahndet und der Lebensstil entsprechend angepasst werden.
Derzeit werden zwölf Hauptursachen für die Entstehung einer Demenz erachtet, die sich in Gruppen einteilen lassen:
Grunderkrankungen, die zu Verkalkungen der Blutgefäße führen, sind Bluthochdruck (arterielle Hypertonie) und die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus). Vor allem letztere ist häufig mit den Faktoren Bewegungsmangel und Übergewicht (Adipositas) vergesellschaftet. Begünstigend für die Gefäßschädigung wirken in dem Fall auch das Rauchen und ein übermäßiger Alkoholkonsum.
Zu den übrigen sechs Faktoren zählen ein geringer Bildungsgrad, soziale Isolation und Depression, außerdem Kopfverletzungen in der Anamnese und der kaum beeinflussbare Faktor der Luftverschmutzung.
Zuletzt sei noch ein eingeschränktes Hörvermögen genannt, das von älteren Menschen oft als schicksalhaft angenommen und daher zu wenig behandelt wird. Dabei wirkt sich die erfolgreiche Versorgung mit einer Hörunterstützung nicht nur förderlich auf das Wohlbefinden aus, sondern führt meist auch zu einer größeren Teilhabe am Leben und kann damit vielen weiteren Risikofaktoren entgegenwirken.
Verlauf der Demenz am Beispiel der Alzheimer-Demenz
Leichte Demenz | Mittelschwere Demenz | Schwere Demenz |
Merkfähigkeit und Kurzzeitgedächtnis gestört, Wortfindungsstörungen | Gedächtnisstörung betrifft zunehmend das Langzeitgedächtnis | ausgeprägte Gedächtnisstörung in allen Bereichen des Lebens |
erste motorisch-koordinative Störungen | unter Umständen Halluzinationen, veränderte Persönlichkeit | Verständigung kaum noch oder nicht mehr möglich, körperliche Einschränkungen der Mobilität, Nahrungsaufnahme und Kontinenz |
Orientierungsstörung vor allem in fremder Umgebung, örtlich, zeitlich und situativ | Orientierung gelingt auch in bekannter Umgebung kaum noch | fortschreitende Orientierungsstörungen |
selbstständige Lebensführung möglich | zunehmende Beeinträchtigung der selbstständigen Lebensführung, Versorgung und Körperpflege | selbstständige Lebensführung unmöglich |
geringer Unterstützungsbedarf bei komplexen Tätigkeiten | Unterstützungsbedarf auch bei täglichen Aktivitäten | ausgeprägter Unterstützungsbedarf in allen Bereichen des Lebens |
Demenz – Diagnose
Am Beginn der Diagnostik steht bei Verdacht auf eine Demenz die Anamnese und körperliche Untersuchung sowie die Durchführung eines Demenz-Tests durch einen Arzt bzw. eine Ärztin. Es gibt verschiedene Testsysteme, die unter anderem die Konzentrations- und die Merkfähigkeit untersuchen. Der Mini-Mental-Status-Test und der komplexere DemTec-Test gehören zu den häufig angewendeten Testmethoden.
Erhärtet sich der Verdacht auf eine Demenz, so erfolgt eine Bildgebung des Gehirns, meist in Form einer MRT (Magnetresonanztomographie) des Schädels. Außerdem nimmt der Arzt Blut für eine Untersuchung des Stoffwechsels, den Ausschluss einer Blutarmut und von Entzündungsvorgängen im Körper ab.
Bei Alzheimer-Patienten existieren spezifische Biomarker, deren Nachweis im Blut oder Urin bei gleichzeitiger Symptomatik wegweisend für die Diagnose Demenz ist. Außerdem ist die Demenz vom Alzheimer-Typ häufig mit der sogenannten Amyloid-Angiopathie vergesellschaftet, die klassische Ablagerungen und Mikroblutungen im Gehirn zur Folge hat.
Demenz – Behandlung
Eine ursächliche Behandlung der Demenz, welche die Symptome rückgängig macht, ist meist nicht möglich. Jedoch kann durch viele Maßnahmen dazu beigetragen werden, dass die Krankheitsverläufe verlangsamt und abgemildert werden.
So ist bei vaskulärer Demenz eine gute, aber nicht zu strenge medikamentöse Blutdruckeinstellung ebenso wichtig wie ein stabiler und möglichst normwertiger Blutzucker ohne große Schwankungen. Eine Herzschwäche muss so gut es geht behandelt werden. Auch sollten Menschen mit Demenz ausreichend trinken.
Herzrhythmusstörungen wie das Vorhofflimmern sind in fortgeschrittenem Alter meist nicht mehr zu beseitigen. Ein Versuch der Rhythmisierung kann jedoch erwogen werden und führt dann zu einer regelmässigeren und besseren Durchblutung des Gehirns.
Eine Sturzprophylaxe bei älteren Menschen mit Demenz ist in jedem Fall zu empfehlen, da zum einen jede Kopfverletzung das Risiko zunehmender Beeinträchtigungen der geistigen Fähigkeit birgt. Darüber hinaus sind bei einer stabilen Demenz ein Krankenhausaufenthalt und insbesondere eine Operation nach Knochenbruch zu vermeiden. Denn die Narkose und die anschließende Behandlung mit Schmerzmedikamenten kann in fremder Umgebung zu einer akuten und oft anhaltenden Verschlechterung des Gesamtzustandes führen.
Derzeit erfolgt eine intensive Forschung zu Antikörpern, die der Plaqueentstehung bei Frühformen der Alzheimer-Demenz entgegenwirken sollen. Erste Studienergebnisse deuten eine Verlangsamung der Erkrankung an. Eine offizielle Zulassung der Medikamente ist derzeit noch nicht absehbar.
Umgang mit Demenz
Bei einer leichten Demenz bemerken die Erkrankten ihr Gedächtnisverlust oft noch selbst und empfinden den Verlust an Fähigkeiten als sehr bedrohlich. Nun kann es hilfreich und beruhigend sein, protektive soziale Faktoren wie die gesellschaftliche Teilnahme bewusst zu fördern. Eine gute Möglichkeit hierzu ist ein Bewegungskurs oder das Erlernen neuer Fähigkeiten in der Gruppe. Die Verknüpfung von Bewegung und theoretischen Informationen kann Reize für die Entstehung neuer Nervenbahnen setzen.
Im weiteren Verlauf der Krankheit, wird es vor allem für die versorgenden Angehörigen und die Pflege herausfordernd. Probleme wie Aggressivität und ein umgedrehter Tag-Nacht-Rhythmus sind sehr belastend und machen eine gute Struktur im Umfeld des Betroffenen erforderlich. Gerade bei erblichen Demenzen fürchten die Kinder der Dementen ihre eigene Entwicklung.
Eine meist zum Ende der Demenzerkrankung hin auftretende Belastung ist die zunehmende Verweigerung der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme durch die Patienten. Dies muss als Teil des natürlichen Verlaufs der Erkrankung verstanden werden. Die Demenz ist ein zum Tode führendes Krankheitsbild. Nur durch diese Akzeptanz können die Pflege und die Angehörigen eine den Bedürfnissen der Patienten entsprechende Begleitung gewährleisten, ohne auf nicht angezeigte und komplikationsreiche Maßnahmen wie die künstliche Ernährung zurückzugreifen, die keinen wirklichen Benefit für die Betroffenen bieten.
- Kochen, M. M., Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Stuttgart: Thieme Verlag (3. Auflage, 2006)
- Grehl, H., Reinhardt, F., Checkliste Neurologie, Stuttgart: Thieme Verlag (3. Auflage, 2005)
- Payk, Th. R., Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie, Stuttgart: Thieme Verlag (5. Auflage, 2007)
- WHO, Dementia, https://www.who.int/... (Abrufdatum: 10.04.2024)