Chirurgen, die sich, ohne anwesend zu sein, in den Operationssaal schalten, um bei schwierigen OPs Kollegen Unterstützung zu bieten, das ist nur eine der vielen möglichen Szenarien, die verdeutlichen, dass die Digitalisierung der Medizin in vollem Gange ist. Zahlreiche Deutsche sprechen sich für diese Entwicklung aus. Doch bei den Schweizer Ärzten und Ärztinnen sieht das etwas anders aus: Sie halten weniger von den Möglichkeiten der Digitalisierung als die Bevölkerung.
Schweizer Gesundheitsbranche setzt laut einer Studie zu wenig auf digitale Technologien
Die Schweiz nutzt digitale Neuerungen nur mittelmäßig. Die Patienten hingegen sind den digitalen Innovationen gegenüber viel aufgeschlossener, wie eine Studie der FMH zeigt. Zur Erklärung: Der Berufsverband der Schweizer Ärzteschaft möchte E-Health mitgestalten, damit die verfügbaren Werkzeuge sowohl den Ärzten als auch Patienten dienen. Die FMH unterstützt ihre Mitglieder dabei, E-Health-Anwendungen zu implementieren.
Die FMH hat anhand einer Online-Umfrage circa 500 Ärzte sowie 2.500 Einwohner befragt. Letztere sprachen sich für die Digitalisierung aus: Ein Großteil recherchiert bereits zu den verschiedensten gesundheitlichen Themen im Internet und ist beispielsweise dafür, dass die elektronische Patientenakte eingeführt wird. Die Patienten wünschen sich Telemedizin. Dies stellt heutzutage kein Problem mehr dar, da die Technik weit fortgeschritten ist, sodass sich die Patienten dafür gewinnen lassen. Es gibt kaum welche, die es ablehnen, wenn sie von der Möglichkeit hören, auch zu Hause rund um die Gesundheit unterstützende Versorgung zu erhalten. Sie sehen die Vorteile darin. Die Hälfte der befragten Teilnehmer würde den direkten Kontakt zum Arzt mit einer digitalen Unterhaltung ersetzen. Bei den Ärzten sieht es anders aus: Sie erkennen den Nutzen in der Digitalisierung noch zu wenig. Viele Menschen würden auch gern online die Arzttermine vereinbaren oder über Wartezeiten in der Arztpraxis benachrichtigt werden. Viele nutzen bereits am Handgelenk ihren eigenen Personal-Trainer und auf dem Smartphone Gesundheits-Apps. Wie die Studie zeigt, ist ein Großteil der Menschen für digitale Helfer zu begeistern. Gesünder zu leben, war noch nie so einfach wie in der heutigen Zeit, wo alles digitaler wird.
Bleibt die Frage: Ignorieren die Ärzte die Bedürfnisse der Patienten?
Diese Frage hat sich Philipp Luchsinger gestellt. Doch der Präsident der Allgemein- und Kinderärzte findet nicht, dass den Ärzten die Bedürfnisse der Patienten egal sind. Er ist eher der Meinung, dass die Schweizer Ärzte und Ärztinnen nur etwas vorsichtiger sind. 92 Prozent von ihnen befürchten, dass die Digitalisierung auch Probleme mit dem Datenschutz begünstigt. Sie finden die Vorteile der digitalen Neuerungen noch zu gering, um sie anzuwenden.
Gesundheitswerte selber messen? Lieber nicht – darüber sind sich beide Seiten einig
Die Rolle des Patienten hat sich in den vergangen Jahren deutlich verändert. Es ist schon lange nicht mehr so, dass der Arzt Unleserliches zum Befund notiert und dann die Behandlungsmethode festgelegt hat. Die Patienten recherchieren heutzutage selber im Netz. Durch die im Internet verfügbaren Informationen wird zwar niemand zum Mediziner, doch es ist dadurch möglich, den Ärzten souveräner und aufgeschlossener gegenüber zu treten. Sie entscheiden inzwischen über Behandlungsmöglichkeiten mit, sodass ihnen die Digitalisierung einiges erleichtert. Doch es herrscht auch Einigkeit: Beide Seiten, sowohl die Ärzte als auch Patienten, heißen es nicht gut, das Letztere verschiedene Gesundheitswerte selbst messen, um sie anschließend vom Arzt überwachen und analysieren zu lassen.
Ausblick: Was wird den Ärzten und Ärztinnen geraten?
Alfred Angerer, ein Professor für Gesundheitsökonomie aus Österreich, hat sich an der ZFH (Zürcher Fachhochschule) für angewandte Wissenschaften im Gesundheitswesen mit Management beschäftigt und rät den Medizinern, dass sie mutiger und offener sein sollten, um die digitalen Technologien zumindest auszuprobieren. Dies beginnt beispielsweise damit, einen Online-Kalender einzuführen und Systeme zur Stützung der Entscheide zu verwenden. Sehr wichtig ist es außerdem, dass sie den Patienten die Vorteile der digitalen Angebote aufzeigen, um Aufklärung zu leisten und die Zahlungsbereitschaft zu erhöhen. Vor allem in ländlichen Gebieten sind die Ärzte überlastet, sodass digitale Technologien sehr viel bewirken und Unterstützung bieten können.
Fazit
Mit dem E-Health-Gesetz wurde ein sehr wichtiger Grundstein gelegt. Die Krankenkassen, Krankenhäuser und Hersteller sind nun an der Reihe, die neuen Technologien anzuwenden und weiter zu entwickeln. Die Gesundheitsbranche muss sich in den kommenden Jahren immer größer werdenden Herausforderungen stellen, denn es zeigt sich seit langem, dass die Menschen hierzulande immer älter werden. Es wird nicht mehr ausreichen, auf der Stelle zu treten. Es gilt, voran zu schreiten. Die Digitalisierung kann ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung sein. Letzten Endes wird sie auch im Gesundheitswesen schon bald anwachsen. Mut, Offenheit und Entschlossenheit gegenüber den digitalen Technologien sind wichtig.