Wie gross fallen die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern in den Schweizer Unternehmen aus? Dieser Frage ist eine im Auftrag des Schweizerischen Arbeiterverbandes (SAV) durchgeführte Erhebung der Universität St. Gallen nachgegangen. Die Analyse zeigt: Im Gesundheitswesen ergibt sich eine Lohndifferenz von 13,23 Prozent. Die ungleiche Bezahlung lässt sich aber nicht in allen Fällen auf Lohndiskriminierung zurückführen.
Bisher grösste Datensammlung zur Lohngleichheit in Schweizer Unternehmen
Das revidierte Gleichstellungsgesetz verpflichtet Schweizer Arbeitgeber mit mehr als 100 Mitarbeitenden, alle vier Jahre eine Lohngleichheitsanalyse durchzuführen. Die Ergebnisse müssen unabhängig überprüft und bis Ende Juni 2023 gegenüber den Beschäftigten und Aktionären/-innen kommuniziert werden. Im Auftrag des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes hat das Competence Centre for Diversity and Inclusion (CCDI) der Universität St. Gallen eine Umfrage unter 615 Unternehmen durchgeführt – das entspricht rund zehn Prozent der Unternehmen mit 100 oder mehr Beschäftigten in der Schweiz. Auf diese Weise konnten Lohndaten von 550’000 Mitarbeitenden gesammelt werden.
Um Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wurden für die Untersuchung nur Unternehmen berücksichtigt, die ihre Lohngleichheitsanalysen nach der vom Bund zur Verfügung gestellten Methode mit dem Namen Logib durchführen. Das war in drei Viertel (463) der Unternehmen mit insgesamt 487’000 Beschäftigten der Fall. Für die 152 verbleibenden Unternehmen wurde nur erhoben, ob sich eine ungeklärte Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern feststellen liess. Insgesamt handelt es sich um die bislang grösste Datensammlung zu Lohngleichheitsanalysen in der Schweiz.
Erklärbare und ungeklärte Lohndifferenz
Die Auswertung der Ergebnisse unterscheidet zwischen unerklärten und erklärbaren Lohndifferenzen. Der erklärbare Lohnunterschied berücksichtigt Einflussfaktoren wie den Ausbildungsgrad der Beschäftigten, die Berufserfahrung und die Hierarchiestufe. Die Differenz, die nach Abzug dieser erklärbaren Merkmale übrigbleibt, wird als unerklärter Lohnunterschied bezeichnet.
Von den 463 Unternehmen, die ihre Lohndatenanalysen nach Logib durchführen, beantworteten 461 die Frage, ob sie die Vorgaben des Gleichstellungsgesetzes einhalten. Auf 458 Unternehmen trifft dies zu, ein Wert von 99,3 Prozent. Nur drei Prozent überschreiten die vom Bund festgelegte Toleranzschwelle für Lohnunterschiede von fünf Prozent.
Lohnunterschiede im Gesundheitswesen
Im Gesundheitswesen erscheint die Lohndifferenz auf den ersten Blick recht hoch. Unbereinigt um berufsspezifische oder persönliche Merkmale liegt der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern bei 13,23 Prozent. Eine noch höhere Lohndifferenz weisen die Branchen Banken, Versicherung, Treuhand (24,53 Prozent), Detail-, Grosshandel (16,99 Prozent), MEM, Elektro, Energie (15,97 Prozent), Information, Kommunikation (15,5 Prozent), Lebensmittelherstellung (14,87 Prozent) und Pharma, Chemie (14,79 Prozent) auf.
Ein Grossteil dieser Differenz geht allerdings auf erklärbare Unterschiede zurück. So arbeiten im Gesundheitswesen zum Beispiel mehr Frauen auf einer tieferen Hierarchiestufe als Männer und verdienen entsprechend weniger. Nach Berücksichtigung dieser erklärbaren Merkmale bleibt im Gesundheitswesen eine unerklärte Lohndifferenz von 2,37 Prozent. Dieser Wert ist geringer als in den anderen untersuchten Branchen und liegt somit auch unter der durchschnittlichen unerklärten Lohndifferenz von 3,3 Prozent. Besonders hoch fällt der unerklärte Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern in der Informations- und Kommunikationsbranche aus (4,11 Prozent).
Von den Unternehmen, die ihre Lohndatenanalysen nicht nach Logib durchführen, haben nach eigenen Angaben 132 keine unerklärbaren Lohndifferenzen zwischen Frauen und Männern feststellen können.
SAV fordert weitere Anstrengungen zum Ausgleich der Lohndifferenzen
Im Vergleich der Regionen fallen die nicht um berufsspezifische oder persönliche Merkmale bereinigten Lohnunterschiede in Zürich am höchsten aus (20,72 Prozent), am geringsten sind sie der Nordwestschweiz (13,52 Prozent). Wie schon im Branchenvergleich liegen die bereinigten, unerklärte Lohndifferenzen in allen Regionen nah beieinander und jeweils unter der vom Bund vorgegebenen Toleranzschwelle. Hier erreicht Zürich mit 2,59 Prozent den niedrigsten Wert, am höchsten sind die unerklärten Differenzen in der Zentralschweiz (4,73 Prozent).
Auch unerklärten Lohnunterschieden muss nicht zwangsläufig Lohndiskriminierung zugrunde liegen. Die Differenz könnte sich zum Beispiel auf Faktoren zurückführen lassen, die bei der Lohndatenanalyse nicht berücksichtigt wurden.
Trotz der insgesamt positiven Ergebnisse fordert der Schweizer Arbeitgeberverband jedoch weitere Anstrengungen, um die Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern zu verringern. Dabei soll bei den Ursachen angesetzt werden. Ein Grund für den Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern besteht zum Beispiel darin, dass Frauen im Laufe ihrer Karriere häufiger Erwerbsbrüche aufweisen als Männer, etwa um sich der Kindererziehung zu widmen. Damit sie in gleicher Weise wie Männer am Erwerbsleben teilnehmen können, gelte es, die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben zu verbessern, so der SAV.