Verfahren der Naturheilkunde sind mit Methoden der Komplementärmedizin gleichzusetzen. Doch was versteht man genau unter Komplementärmedizin? Und wie sieht die Regelung hinsichtlich der Rückerstattung durch die Schweizer Grundversicherung aus?
Einordnung der Komplementärmedizin
Mithilfe der Komplementärmedizin kann man Therapien einsetzen, welche die konventionelle Medizin unterstützen und abrunden. Im Zuge dessen existieren Verfahren, welche wissenschaftlich erwiesen nützlich bei spezifischen Krankheitsbildern sein können.
Ein Beispiel ist die Akupunktur als zusätzliche Behandlungsmethode zu einem operativen Eingriff und darauffolgender Chemotherapie zur Linderung der damit gekoppelten Schmerzen.
Demzufolge kann Naturheilkunde das Wohlbefinden des Patienten erhöhen und einen Beitrag zur Abschwächung der Nebenwirkungen mancher Medikamente leisten.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) teilt die Heilmethoden für eine konkretere Klassifikation in fünf Gruppen auf:
- Tradierte Medizin-Systeme: hierbei versteht man beispielsweise die chinesische Medizin oder Ayurveda. Eine Einordnung eines Grossteils der klassischen und erweiterten Naturheilkunde findet in dieser Gruppe statt.
- Biologische Therapien basieren auf natürlichen Substanzen wie aromatischen Pflanzenölen, Kräutern, Vitaminen oder speziellen Diäten.
- Manipulative, köperbezogene Therapien: darunter zählen die Chirotherapie oder Osteopathie. Diese Verfahren beruhen auf einer manuellen Einwirkung auf eines oder mehrerer Körperbereiche.
- “Körper-Geist-Therapien” zeichnen sich durch eine Bandbreite von Techniken aus. Dazu gehört zum Beispiel Yoga, indem die Fähigkeit des Geistes, körperliche Funktionen und Symptome zu beeinflussen, eine Steigerung erfahren soll.
- Letztlich gibt es noch “Energie-Therapien”, welche sowohl magnetische, als auch körpereigene elektromagnetische Felder nutzen.
Erwähnenswert ist allerdings, dass die von der WHO festgelegten Gruppen sich teils überschneiden.
Wirkung von Naturheilverfahren
Die Naturheilkunde basiert auf der Annahme, dass die Gesundheit eines Menschen sein inneres Gleichgewicht ausdrückt. Demnach sind Körper, Geist und Seele miteinander vernetzt. Eine Erkrankung ist eine Störung dieses offenen und verknüpften Systems, welches daraufhin aus dem Gleichgewicht gerät.
Der Leitsatz vieler Verfahren hat zum Ziel, durch unspezifische und/oder spezifische Reize die Selbstheilungskräfte des Körpers zu verbessern. Eine Kombination aus unterschiedlichen Behandlungsansätzen sollte idealerweise zum Tragen kommen.
Neben den körperlichen Befunden fokussiert sich die Komplementärmedizin zudem auf die Psyche, da man davon ausgeht, dass Wechselwirkungen zwischen Körper und Psyche (Psychosomatik) bestehen. Die Naturheilkunde beruht auf der Annahme, dass einerseits psychische Veränderungen etwas im Körper auslösen und andersherum. Andererseits findet der Ablauf körperlicher und psychischer Vorgänge gleichzeitig statt oder sie folgen direkt aufeinander.
Komplementärmedizin: Pflichtleistung der Grundversicherung
Die Komplementärmedizin ist tief in der Schweiz verwurzelt. Der Philosoph, Arzt sowie wichtiger Reformator der Medizin Paracelsus wirkte während der Renaissance-Zeit lange in Basel.
Ausserdem wurde die erste anthroposophische Klinik in Arlesheim/BL im Jahr 1921 gegründet. Aus diesem Grund sind biologische sowie natürliche Heilverfahren in der Schweizer Bevölkerung verankert.
Grundversicherung trägt Kosten für fünf Behandlungsbereiche
Die Menschen in der Schweiz entschieden sich darüber hinaus im Mai 2009 mit einer Zweidrittelmehrheit für eine Berücksichtigung der Komplementärmedizin im Gesundheitswesen. Infolgedessen ist die Vergütung von ärztlichen Leistungen der Komplementärmedizin über die obligatorische Krankenpflegeversicherung (Grundversicherung) geregelt. Diese zentrale Kernforderung ist im Verfassungsartikel 118a Komplementärmedizin zu finden.
Demgemäss sind seit 2017 vielfältige komplementärmedizinische Behandlungsverfahren Bestandteil des Leistungskatalogs der obligatorischen Grundversicherung. Dies schliesst die Homöopathie, die anthroposophische Medizin, die Neural- und Phytotherapie sowie die traditionelle chinesische Medizin mit ein.
Die Voraussetzung ist in diesem Zusammenhang, dass ein Schulmediziner mit einer absolvierten Zusatzausbildung in einer der genannten Verfahren die Methoden praktiziert. Diese müssen von der nationalen Ärzteorganisation FMH anerkannt sein.
Zuvor gab es eine jahrelange Kontroverse, inwieweit komplementärmedizinische Leistungen vergütet werden sollen. Im Zuge dessen fand ein Missbrauch wissenschaftlicher Programme für politische Zwecke statt. Daraus folgte, dass die Verfahren zeitweise von der Grundversicherung nicht erstattet wurden.
Leistungen müssen für Rückerstattung zweckmässig sowie wirksam sein
Mit dem Entscheid bestätigt die Regierung nun, dass die Komplementärmedizin die Vorgaben des Krankenversicherungsgesetzes im Hinblick auf Wirksamkeit, Gewährleistung hoher Qualität und Sicherheit erfüllt. Nichtsdestotrotz müssen die erbrachten Leistungen nach Art. 32 Voraussetzungen des Krankenversicherungsgesetzes KVG wirksam, wirtschaftlich und zweckmässig sein.
Der Entscheid ist letztlich zentral für alle Menschen und Familien, welche keine finanziellen Ressourcen für eine private Zusatzversicherung zur Verfügung haben. Gleichermassen ist die Regelung von hoher Bedeutung für Personen mit Indikationen, bei welchen in der konventionellen Medizin lediglich Alternativen mit höheren Nebenwirkungen oder Risiken existieren.