Diverse internationale Studien zeigen den negativen Einfluss der Corona-Pandemie auf die Lungenkrebssterblichkeit. Während in den Jahren von 2008 bis 2016 erstmals grosse Erfolge bei der Prognose von Lungenkrebserkrankungen gemacht wurden, ging die Anzahl der Frühdiagnosen seit Auftreten der Corona-Pandemie zurück. Späte Diagnosen führen zu einer höheren Sterblichkeitsrate.
Abklärung von Lungenkrebserkrankungen wird verschleppt
Lungenkrebs gehört international zu den führenden Todesursachen bei Patienten mit einer Krebsdiagnose. Der Zeitpunkt der Diagnose ist für eine erfolgreiche Behandlung äußerst relevant. In Stadium I der Erkrankung ist Lungenkrebs in 80 bis 90 Prozent der Fälle heilbar. In Stadium II immerhin noch zu 50 bis 60 Prozent. Je später man den Krebs erkennt, umso schlechter stehen dagegen die Behandlungschancen.
Im Zeitraum von 2008 bis 2016 wurden grosse Erfolge bei der Früherkennung und der Anwendung neuer Systemtherapien in späteren Krankheitsstadien erzielt. Das zeigt eine Studie, die im August 2020 im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde. Zum Erscheinungszeitpunkt hatte sich die Corona-Pandemie bereits weltweit ausgebreitet – was auch massive negative Auswirkungen auf die Lungenkrebssterblichkeit hatte. Das machen gleich mehrere wissenschaftliche Publikationen deutlich, die seit Ende 2020 erschienen sind. Für die Schweiz erwartet man konkrete Daten erst in mehreren Monaten. Für das Vereinigte Königreich, die USA und einige asiatische Länder liegen bereits Analysen vor. Diese zeigen die teils dramatischen Effekte der Pandemie auf die Mortalitätsrate auf.
Lungenkresbsterblichkeit: Späte Diagnosen erhöhen die Rate
Mit dem Auftreten der Corona-Pandemie erging in Großbritannien die Empfehlung, bei auftretenden Symptomen wie Husten zunächst zu Hause zu bleiben und keine Arztpraxis aufzusuchen. Husten gehört aber auch zu den Primärsymptomen eines Lungentumors. Forscher und Mediziner gehen davon aus, dass derartige Empfehlungen zur Verunsicherung der Patienten und damit zur Verschleppung von Lungenkrebs-Diagnosen beigetragen haben. Die United Kingdom Lung Cancer Coalition (UKLCC) berichtet so zum Beispiel davon, dass die Anzahl dringender Überweisungen zur Abklärung eines Lungenkrebsverdachtes während der ersten Pandemie-Welle um bis zu 75 Prozent zurückgegangen sind. Grundversorger in Wales überwiesen rund 40 Prozent weniger Patienten zur weiteren Abklärung. In Schottland ging die Zahl der Überweisungen um 70 Prozent zurück. Die Experten schätzen, dass ein Drittel der nicht zugewiesenen Patienten inzwischen bereits verstorben ist.
Auch nach dem harten Lockdown gehen Patienten seltener zum Arzt
Auch nach Ende des harten Lockdowns sind vielerorts noch Schutzmassnahmen in Kraft. Diese erschweren den Zugang zur medizinischen Grundversorgung, was wiederum zu einer Abnahme von Frühdiagnosen führt. Derartige Effekte zeigen unter anderem Studien aus China und Korea. In den USA ging derweil die Zahl der Lungenkrebs-Screenings bei Neuprobanden signifikant zurück. Selbst nach Wiederaufnahme der Programme nach dem Lockdown wurden wesentlich weniger Screenings durchgeführt als zuvor. Gleichzeitig erhöhte sich die Anzahl festgestellter malignitätssuspekte Tumorherde zwischen 8 und 29 Prozent.
Zwei britische Studien haben auf Grundlage von National Health Service-Daten untersucht, welchen Effekt drei- bis sechsmonatige Verzögerungen bei der Behandlung von Tumoren auf die Lungenkrebssterblichkeit haben. Die Autoren gehen davon aus, dass die Zahl der Lungenkrebstoten innerhalb der nächsten fünf Jahre um bis zu 5,3 Prozent steigen wird. Bei Brustkrebs rechnen sie mit einer Zunahme an Todesfällen von bis zu 9,6 Prozent. Bei Dickdarmkrebs von bis zu 16,6 Prozent und bei Speiseröhrenkrebs von bis zu 6,0 Prozent. Gemessen in absoluten Zahlen kommen die Forscher zu dem Ergebnis, dass die Zahl zusätzlicher Todesfälle unter den Lungenkrebspatienten am stärksten ansteigt, und das bereits im ersten Jahr nach der Diagnosestellung.