Mit der aktuellen Diskussion über die Gesundheitskosten stehen auch die Verdienste von Ärzten/-innen wieder im Fokus. Jüngsten Statistiken zufolge erzielen selbständige Ärzte/-innen ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 205’000 Franken im Jahr. Trotz hoher Einkünfte fehlen jedoch Mediziner/innen, vor allem in der Grundversorgung.
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Ärztliche Verdienste: Diskussion um neue Tarifstruktur
Die ärztlichen Verdienste stehen aktuell wieder in der Debatte, da die Gesundheitskosten steigen. Für das Jahr 2023 wird ausserdem ein Anstieg der Krankenkassenprämien erwartet. Zugleich diskutieren Politik und Tarifpartner darüber, die Tarifstruktur TARMED zur Abrechnung von ambulanten ärztlichen Leistungen einer Revision zu unterziehen. In diesem Zusammenhang haben der Versichererverband curafutura und die FMH, die Verbindung der Schweizer Ärzte/-innen, dem Bundesrat die Einzeltarifstruktur TARDOC zur Genehmigung vorgelegt. Der neue Tarif für die ambulante Versorgung soll die Einkünfte von Ärzten/-innen verbessern. Das steht in der Kritik, da ein grosser Anteil der ärztlichen Einkommen aus staatlichen Abgaben stammt. Im Juni 2022 hat der Bundesrat daher beschlossen, den vorgeschlagenen neuen Tarif zunächst nicht einzuführen.
Teil der Verhandlungen um den neuen Tarif ist das sogenannte Referenzeinkommen für Ärzte/-innen. Diese theoretische Rechengrösse soll einen Minuten- oder Stundenlohn definieren, welcher die Leistungen des Arztes in den einzelnen Tarifpositionen abbildet. Die an der Entwicklung des Referenzeinkommens beteiligten Fachleute beziffern es auf knapp 230’000 Franken im Jahr. Sollte der neue Tarif eingeführt werden, wird dieses rechnerische Einkommen um einen flächendeckenden Kürzungsfaktor von 17 Prozent auf 190’000 Franken reduziert. Dieser Betrag wird dann noch mit dem durchschnittlichen Taxpunktwert der Kantone verrechnet. Übrig bleibt ein Bruttoeinkommen von 165’000 Franken.
Selbständige Ärzte/-innen verdienen durchschnittlich 205’000 Franken im Jahr
Der Bund hält das Referenzeinkommen für zu hoch angesetzt. Curafutura und die FMH sehen es dagegen als korrekt an. Die FMH greift bei ihrer Argumentation auf eine Analyse des Bundesamts für Statistik aus dem Jahr 2018 zurück. Demnach erzielen Ärzte/-innen mit Einzelpraxis ein durchschnittliches Betriebsergebnis von 155’000 Franken im Jahr. 136’000 Franken davon stammen laut FMH aus der Grundsicherung.
Doch wie viel verdienen selbständige Ärzte/-innen wirklich? Das Bundesamt für Statistik hat seine Analysen inzwischen überarbeitet und die Finanzdaten von rund 9’000 Praxen ausgewertet. Das Ergebnis: Die Einkünfte niedergelassener Ärzte/-innen sind höher, als das Betriebsergebnis erwarten lässt. Im Jahr 2019 haben selbständige Ärzte/-innen ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 205’000 Franken im Jahr erzielt. Daraus lässt sich ein Stundenlohn von 115 Franken ableiten. Zieht man den Medianwert heran, um die Gewichtung der Spitzenlöhne zu reduzieren, ergibt sich ein mittleres Nettoeinkommen von 160’000 Franken im Jahr, was 90 Franken in der Stunde entspricht.
Einkommensunterschiede nach Fachgebiet
Ein genauerer Blick auf die Statistik lässt deutliche Einkommensunterschiede zwischen den einzelnen Fachrichtungen erkennen. Nach Abzug von Sozialabgaben und Vorsorgebeiträgen verdienen Chirurgen/-innen am besten, Fachärzte/-innen der Psychiatrie stehen am unteren Ende der Einkommensspanne.
Fachrichtung | Einkommen im Jahr (CHF) | Stundenlohn (CHF) |
Alle Fachrichtungen | 204’985 | 115 |
Fachärzte/-innen mit chirurgischer Tätigkeit | 318’656 | 163 |
Fachärzte/-innen ohne chirurgische Tätigkeit | 278’574 | 136 |
Gynäkologie, Geburtshilfe | 258’029 | 143 |
Haus- und Kinderärzte/-innen | 199’975 | 105 |
Psychiatrie | 126’633 | 93 |
Suche nach Praxis-Nachfolgern gestaltet sich schwierig
Auch in der Grundversorgung sind die Verdienste niedergelassener Ärzte/-innen immer noch hoch. Dennoch fällt es vielen Hausärzten/-innen schwer, Nachfolger für ihre Praxen zu finden. Die Berner Workforce-Studie 2020-2025 des Berner Instituts für Hausarztmedizin BIHAM, erstellt im Jahr 2021, legt erstmals solide Daten zum Ärztemangel in der Schweiz vor, exemplarisch dargestellt am Kanton Bern. 95 Prozent der Grundversorger/-innen aus dem Kanton beteiligten sich an der Umfrage.
Die Studie verifiziert, dass bereits heute ein Mangel an Grundversorger/-innen besteht. Demnach nimmt nur noch eine Minderheit von Hausärzten/-innen neue Patienten/-innen auf. Die Autoren gehen davon aus, dass in den kommenden Jahren noch mehr Ärzte/-innen ihr Arbeitspensum reduzieren werden oder in Pension gehen. Bis zum Jahr 2025 nimmt die Zahl der Grundversorger/-innen voraussichtlich um 25 Prozent ab. Um die momentane Ärztedichte aufrecht zu erhalten, werden allein im Kanton Bern 270 neue Hausärzte/-innen benötigt, die ein Pensum von mindestens 7,5 Halbtagen in der Woche leisten. Angesichts der aktuellen Studierendenzahlen in der Humanmedizin bedeutet dies, dass sich mindestens 40 Prozent der Absolventen/-innen für eine Tätigkeit in der Grundversorgung entscheiden müssten. Die Studienautoren halten dies für unwahrscheinlich.
Der Mangel an Hausärzten/-innen stellt nicht nur für Patienten/-innen ein Problem dar, sondern wirkt sich auch auf die Prämien aus. Gehen mehr Patienten/-innen direkt zu Fachärzten/-innen oder ins Spital, verteuert sich die Gesundheitsversorgung für alle.