Die Schweiz verliert bei der Zulassung innovativer Medikamente an Boden. Das zeigt der aktuelle EFPIA Patients W.A.I.T. Indicator, der jährlich den Zugang zu Arzneimitteln in drei Dutzend europäischen Ländern vergleicht. Die pharmazeutische Industrie hält es angesichts der Ergebnisse für notwendig, den Patientenzugang zu teils lebensnotwendigen Arzneimitteln zu beschleunigen und zu modernisieren.
Nur 43 Prozent der EU-zugelassenen Arzneimittel werden in der Schweiz vergütet
Der Patients W.A.I.T. Indicator des Pharmaindustrie-Verbands EFPIA erhebt unter anderem die „Full Rate of Availability“, die standardgemässe und breite Vergütung von Arzneimitteln in 36 Staaten. In der Schweiz muss zunächst die Swissmedic das Medikament zulassen, dann das Bundesamt für Gesundheit (BAG) einen Preis verfügen und das entsprechende Arzneimittel auf die sogenannte Spezialitätenliste (SL) aufnehmen, bevor es für alle Patienten verfügbar ist.
Im EU-Durchschnitt sind 43 Prozent der Arzneimittel, die von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zugelassen sind, auch für Patienten verfügbar. Im Vorjahr waren es noch 45 Prozent. Die Spanne zwischen dem Land mit der höchsten und dem Land mit der niedrigsten Verfügbarkeit beträgt 84 Prozent über einen Vierjahreszeitraum hinweg und 80 Prozent für eine grössere Zeitspanne.
In der Schweiz sind 48 Prozent der von der EMA zugelassenen Arzneimittel verfügbar und werden von der Grundversicherung vergütet. Damit liegt die Schweiz zwar leicht über dem europäischen Durchschnitt, erreicht im internationalen Ranking aber nur Platz sechs. Verglichen mit 2023 bedeutet das eine Verschlechterung um sechs Prozentpunkte. Im Nachbarland Deutschland liegt die Vergütungsquote bei 87 Prozent, in Italien bei 62 Prozent. Darüber hinaus sind nur 54 Prozent der in Deutschland vergüteten Arzneimittel auch in der Schweiz standardgemäss auf der SL vertreten. Im Vorjahr waren es acht Prozent mehr.
Interpharma: Wartezeit zwischen Zulassung und SL-Annahme stark gestiegen
Auf dem gesamten europäischen Markt beträgt der Zeitraum zwischen Zulassung und Verfügbarkeit 531 Tage und ist damit um 14 Tage länger als im Vorjahr. In der Schweiz stehen Medikamente nach der EMA-Zulassung zwar ein wenig schneller zur Verfügung, nach Erhebung des Branchenverbands Interpharma liegt die Wartezeit zwischen Zulassung und EMA-Aufnahme mit 300 Tagen allerdings auf einem Rekordhoch. Bereits seit 2016 sei ein starker Anstieg der Wartezeit zu verzeichnen, teilt die Vertretung der Pharmaindustrie mit.
Interpharma sieht die W.A.I.T.-Studie als Zeichen, dass der aktuell gültige Prozess zur Preisbildung und Vergütung von Medikamenten in der Schweiz veraltet sei. Eine Modernisierung sei dringen notwendig. Ein von Interpharma vorgelegter Lösungsvorschlag sieht vor, Arzneimittel ab dem Tag der Zulassung für Patienten zur Verfügung zu stellen und zunächst zu einem provisorischen Preis zu vergüten. Dieser sogenannte rückvergütete Innovationszugang soll im Rahmen der Beratung zum Kostendämpfungspaket 2 im Parlament besprochen werden.
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