Früher als Chronische Niereninsuffizienz bezeichnet, ist die heute zu den Chronischen Nierenerkrankungen zählende Nierenschwäche ein weit verbreitetes und relevantes Krankheitsbild. Die Nieren übernehmen im Körper wichtige Funktionen. Bei eingeschränkter Nierentätigkeit ist jedoch die Filtrierung des Blutes und Ausscheidung von giftigen Substanzen gestört. Auch der Wasser- und Elektrolythaushalt gerät aus dem Gleichgewicht. Bei fortschreitender Erkrankung wird der gesamte Organismus geschädigt und das Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen steigt.
Der folgende Artikel liefert wertvolle Informationen über die Niereninsuffizienz bzw. Nierenschwäche und ihre Erscheinungsformen im Alltag.
Was ist eine Niereninsuffizienz?
Niereninsuffizienz ist ein Begriff, der in der Vergangenheit synonym mit der Nierenschwäche verwendet wurde. Störungen der Nierenfunktion fasst man heute unter den Chronischen Nierenerkrankungen (Chronic Kidney Diseases) zusammen.
Inhaltsverzeichnis
Die Nierenkörperchen (Glomeruli), an denen das Blut gefiltert und der primäre Harn gebildet wird, liegen bereits bei Geburt vor und können nicht erneuert werden. Somit ist bei jeder Funktionsstörung der Nieren entscheidend, ob es sich nur um eine vorübergehende Beeinträchtigung der Glomeruli oder eine dauerhafte Zerstörung handelt.
Akute Niereninsuffizienz
Die akute Niereninsuffizienz, auch Akutes Nierenversagen (ANV) oder Akute Nierenschädigung (Acute Kidney Injury, AKI) genannt, beschreibt eine plötzlich einsetzende Nierenfunktionsstörung mit reduzierter Filterleistung und Stoffwechselentgleisung.
Eine gesunde Niere reguliert den Flüssigkeitshaushalt des Körpers und sorgt für das Gleichgewicht der Elektrolyte (allen voran Natrium, Kalium und Chlorid). Bei der AKI (Akutes Nierenversagen) hingegen kommt es zu einer Überwässerung mit Ödembildung. Gleichzeitig geraten die Blutsalze aus dem Gleichgewicht. Giftstoffe sowie andere „harnpflichtige Substanzen“, die als Endprodukte der Stoffwechselvorgänge im Körper entstehen und regelhaft über den Urin ausgeschieden würden, sammeln sich im Körper an.
Die akute Niereninsuffizienz führt meist nur zu einer vorübergehenden Beeinträchtigung der Nierenkörperchen, kann jedoch auch zu einer dauerhaften Nierenschädigung voranschreiten.
Chronische Niereninsuffizienz
Eine Chronische Niereninsuffizienz liegt vor, wenn die Nierenfunktion über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten reduziert ist. In diesem Fall ist auch die Hormonproduktion durch die Nieren gestört. Dabei entsteht durch eine Verminderung von EPO (Erythropoietin) ein Mangel an roten Blutkörperchen (renale Anämie). Zudem resultieren Mangelzustände von Vitamin D und Calcium mit der Folge einer Schwächung der Knochenstruktur und die Blutdruckwerte steigen an.
Niereninsuffizienz – Stadien
Die Stadieneinteilung der Nierenerkrankungen erfolgt basierend auf der geschätzten Filterleistung, der eGFR (estimated Glomerular Filtration Rate). Die Glomeruläre Filtrationsrate lässt sich aus den Angaben zum Kreatininwert im Blut, dem Alter, Geschlecht und der Hautfarbe der zu testenden Person mittels verschiedener Formeln berechnen.
Man unterscheidet die folgenden fünf Stadien:
Stadium | GFR | Nierenfunktion |
1 | > 90 | normal |
2 | 60 – 89 | leicht eingeschränkt |
3 | 30 – 59 | mäßig eingeschränkt |
4 | 15 – 29 | stark eingeschränkt |
5 | < 15 | Nierenversagen |
Die Einteilung in Stadien kann durch die Angabe eines Wertes für die Ausscheidung von Albumin im Urin (ein Protein, das normalerweise vom gesunden Nierenfilter zurück gehalten würde) ergänzt werden.
Niereninsuffizienz – Symptome
Sowohl bei der akuten als auch bei der chronischen Niereninsuffizienz stehen zunächst die Symptome der auslösenden Krankheit im Vordergrund. Bei akutem Flüssigkeits- oder Blutmangel ist dies beispielsweise der Volumenmangelschock mit niedrigem Blutdruck und schnellem Puls, Schwindel und gegebenenfalls Zeichen einer aktiven Blutung.
Erste Anzeichen treten nach dem Untergang von mehr als 60 Prozent des gesunden Nierengewebes auf. Die Abfallprodukte des Stoffwechsels und körperfremde Substanzen wie Medikamente häufen sich im Blut an und können von den verbliebenen Nierenkörperchen nicht mehr adäquat gefiltert werden. Gleichzeitig werden durch osmotische Prozesse an den gesunden Nierenkörperchen bis zu drei Liter Wasser über den Tag ausgeschleust. In der Folge kommt es zu nächtlichem Harndrang. Bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz entgleiten die Blutsalze mit Erhöhung von Natrium und Kalium. Neben Wassereinlagerung, die Übelkeit und Luftnot auslösen können, führt die Niereninsuffizienz zu einer Störung der Herzfunktion und Steigerung des Blutdrucks.
Nebenbefundlich entsteht durch mangelnde Hormonproduktion der kranken Nieren eine Blutarmut (renale Anämie) und eine Störung der Calciumspiegel, aus der sich eine Osteoporose entwickeln kann.
Niereninsuffizienz – Ursachen
Die häufigsten Ursachen einer akuten Nierenschwäche sind Mangeldurchblutung der Nieren bei großen Blutverlusten, Gefäßverschlüssen und Flüssigkeitsverschiebung aus den Gefäßen in das Gewebe, was zum Beispiel bei einer Blutvergiftung oder einem Herzversagen auftreten kann. Nierenentzündungen können durch aufsteigende Infektionen oder medikamentös bedingt auftreten.
Hauptauslöser der chronischen Niereninsuffizienz sind langjähriger unbehandelter oder schlecht eingestellter Bluthochdruck, durch den es zu Gefäßverkalkungen und Durchblutungsstörungen der Niere kommt. Auch Diabetes mellitus wirkt sich negativ auf die Gefäße aus. Da beide Erkrankungen häufig gemeinsam vorliegen, verstärkt sich ihre schädigende Wirkung auf die Niere. Weiterhin können Nierensteine oder entzündliche Erkrankungen der Nierenkörperchen eine dauerhafte und nicht umkehrbare chronische Niereninsuffizienz verursachen.
Niereninsuffizienz – Behandlung
Ist die Nierenfunktion gestört, muss zunächst nach der Ursache gesucht werden. Bei Volumenmangelzuständen durch verminderte Flüssigkeitszufuhr oder Blutungen helfen ausreichend Flüssigkeitszufuhr, Infusionen und gegebenenfalls Transfusionen. Nierenschädigende Medikamente, allen voran Schmerzmittel wie die sogenannten NSAR (nicht-steroidale Antirheumatika), Kontrastmittel und andere Substanzen müssen abgesetzt und künftig gemieden werden.
Bei einer chronischen Niereninsuffizienz steht die Behandlung von Bluthochdruck und Diabetes mellitus im Vordergrund. Hier kommen unter anderem ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptor-Antagonisten zum Einsatz. Sie unterbinden die von der Niere angeregte Blutdrucksteigerung und reduzieren die Proteinausscheidung. Bei erhöhten Kaliumspiegeln im Blut muss die Ernährung angepasst werden.
Bei schwerer Reduktion der Nierenfunktion entstehen medikamentös nicht mehr kontrollierbare Wassereinlagerungen und überschießende Kaliumspiegel. Zudem können die nicht mehr ausgeschiedenen harnpflichtigen Stoffwechselprodukte im Blut zu Verwirrungszuständen führen. Nun sollte die Nierenersatztherapie, Dialyse, eingeleitet werden. Bei längerfristiger Nierenersatztherapie wird meist ein eigenes Blutgefäß für die Dialyse, ein Shunt, am Unterarm der betroffenen Person geschaffen. Auch das Bauchfell (Peritoneum) eignet sich als Dialysemembran.
Die einzige Maßnahme zur dauerhaften Wiederherstellung der Nierenfunktion und damit Therapie der Wahl bei Personen mit Nierenversagen im Endstadium ist die Nierenspende (Transplantation).
Niereninsuffizienz – Lebenserwartung
Nierenfunktionsstörungen wirken sich negativ auf die Funktion der anderen Organe aus. Allerdings bestimmen in den meisten Fällen vor allem die Grunderkrankungen das Langzeitüberleben der Betroffenen. Starke Blutungen oder Vergiftungen können akut lebensbedrohlich sein. Chronische Krankheiten wie Bluthochdruck und Diabetes mellitus erhöhen das Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle und schwere Stoffwechselentgleisungen.
Insbesondere im Endstadium einer Nierenerkrankung mit Dialysepflichtigkeit hängt das Gesamtüberleben von einer optimalen Therapie sämtlicher Grunderkrankungen ab. Nach einer Nierentransplantation ist eine Verlängerung der Lebenserwartung um bis zu zwei Jahrzehnte denkbar. Gleichzeitig besteht jedoch ein erhöhtes Risiko für Infektionen, Herzkreislauf-Erkrankungen und die Entstehung von Krebs infolge der erforderlichen Schwächung der körpereigenen Abwehr (Immunsuppression), die eine Transplantatabstoßung verhindern soll.
- Kaliumreiche Lebensmittel, https://www.ksa.ch/... ,(Abrufdatum: 24.07.2023)
- Herold, G.: Innere Medizin, Gerd Herold Verlag, 2022
- Riedl, B., Peter, W.: Basiswissen Allgemeinmedizin, Springer Medizin Verlag, 2. Auflage, 2020