In der Schweiz gehört der Numerus Clausus im Medizinstudium ab sofort der Vergangenheit an. Mit einer deutlichen Mehrheit von 32:9 Stimmen hat der Ständerat am Montag, 23. September 2024, zugestimmt, den Eignungstest abzuschaffen. Der Nationalrat hatte einem entsprechenden Antrag bereits zuvor stattgegeben. Nun ist es am Bundesrat, eine Alternative zu entwickeln.
Jährlich scheitern rund zwei Drittel am Numerus Clausus
Wie sinnvoll der Numerus Clausus im Medizinstudium ist, wurde bereits seit Langem diskutiert. An der Aufnahmeprüfung scheitern jährlich gut zwei Drittel aller Personen, die Medizin studieren wollen. Im Jahr 2024 waren es sogar fast drei Viertel: Rund 4.000 junge Menschen hatten sich zur Prüfung angemeldet, doch nur 1.114 erhielten eine Zulassung fürs Medizinstudium. Die Unis in Genf, Lausanne und Neuenburg lassen Studierende zwar ohne Numerus Clausus zu, der Schnitt erfolgt dort aber nach einem Jahr.
Wer am Numerus Clausus scheitert, versucht sein Glück häufig im Ausland, etwa an den Universitäten in Osteuropa. Der Schweiz gehen damit junge Talente verloren. Versuche, den Eignungstest abzuschaffen, stand in der Vergangenheit jedoch deutlicher Widerstand aus der Politik entgegen. Auch die aktuelle Entscheidung des Ständerats fiel nicht ohne Kritik. Bundesrat Guy Parmelin und FDP-Ständerat Matthias Michel sprachen sich gegen die Abschaffung des Numerus Clausus aus. Die Zahl der Medizinstudienplätze sei begrenzt, daher können nicht alle Interessierten zugelassen werden, so Parmelin. Auf den Numerus Clausus zu verzichten, würde zudem nicht ausreichen, um gegen den Ärztemangel in der Schweiz vorzugehen. Michel sieht die Gefahr, dass die Abschaffung des Numerus Clausus eine weitere finanzielle Belastung für den Bund darstellt, der erst 50 Millionen Schweizer Franken zusätzlich für die Ausbildung von Humanmedizinern bereitgestellt habe.
Mehr Ärzte in der Schweiz ausbilden
Um mehr Humanmediziner in der Schweiz auszubilden, hat der Bund bereits 2016 ein Sonderprogramm veranlasst. Mit einer Investition von 100 Millionen Schweizer Franken möchte er die Zahl der Humanmedizin-Diplome bis 2025 von 900 auf 1.300 steigern. Im Jahr 2024 liegt die Zahl bei knapp 1.200.
Für Kritiker des Numerus Clausus ist dies noch zu wenig, auch, da viele Ärzte in die Teilzeitarbeit wechseln. Sie fordern, dass die Schweiz den medizinischen Nachwuchs verstärkt selbst ausbildet, statt sich auf ausländische Mediziner zu verlassen. Derzeit stammen rund 40 Prozent der in der Schweiz praktizierenden Ärzte aus dem Ausland. Die Zahl der anerkannten ausländischen Arztdiplome steigt kontinuierlich und liegt deutlich über der Zahl der Schweizer Medizinstudienplätze. Im vergangenen Jahr wurden so 3364 ausländische Diplome anerkannt, 2022 waren es noch 3053.
Weiterhin steht in Frage, ob sich der Numerus Clausus überhaupt eignet, um die Fähigkeiten der angehenden Medizinerstudierenden festzustellen. Wie Kritiker anmerken, deckt der Eignungstest nur kognitive Fähigkeiten ab, nicht aber kommunikative oder soziale Kompetenzen, die für eine Tätigkeit als Arzt ebenso wichtig sind. Mitte-Ständerätin Andrea Gmür fordert eine umfassendere Bewertung, zum Beispiel durch Praktika. FDP-Ständerat Hans Wicki findet derweil, dass eine Selektion der Studierenden erst nach zwei Jahren Studium erfolgen sollte. Eine tatsächliche Alternative zum Numerus Clausus muss nun der Bundesrat entwickeln.