Jedes Jahr versterben in deutschen Krankenhäusern mehr als 400.000 Patienten, meist handelt es sich um erwartete Todesfälle – nämlich dann, wenn die Betreffenden bereits mit einer hoffnungslosen Erkrankung oder in lebenskritischem Zustand eingeliefert wurden. Es kommt aber auch immer wieder vor, dass ein Patient unerwartet verstirbt. Für die behandelnden Ärzte stellt sich dann stets die Frage nach dem Warum. Es gibt gute Gründe, solche Fälle systematisch aufzuarbeiten.
Warum Ärzte nicht allein gelassen werden sollten
Ärzte in Krankenhäusern sind fast täglich mit dem Tod konfrontiert. Trotz aller Routine – ganz unberührt bleibt wohl kein Mediziner beim Ende eines ihm anvertrauten Lebens. Das gilt insbesondere dann, wenn der Tod plötzlich und unerwartet eintritt, nicht selten im Zusammenhang mit Komplikationen während einer OP. Natürlich wird dann das eigene ärztliche Handeln hinterfragt. Habe ich richtig entschieden, wurde schnell genug gehandelt, hätte es bessere Alternativen gegeben? Das sind Fragen, mit denen man sich als Arzt auseinandersetzen muss. Es ist gut, wenn dies nicht alleine geschieht, sondern solche Fälle systematisch aufgearbeitet werden. Dazu dient die Einrichtung einer Morbiditäts- und Mortalitätskonferenz – auch kurz M&MK oder MM genannt.
Morbiditäts- und Mortalitätskonferenz – das Konzept
Eine M&MK ist eine regelmäßig stattfindende Besprechung in Krankenhäusern, in der in strukturierter Form besondere Behandlungsverläufe und unerwartete Todesfälle besprochen werden. Das Ziel besteht nicht darin, “Schuldige” festzustellen, sondern die Konferenz soll dazu dienen, aus solchen außergewöhnlichen Fällen zu lernen und daraus Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungsqualität und Patientensicherheit abzuleiten. In diesem Sinne ist eine M&MK Bestandteil des betrieblichen Qualitätsmanagements und sollte eigentlich zum Standard gehören. In angelsächsischen Ländern haben die Konferenzen eine lange Tradition – auch als Maßnahme der ärztlichen Weiterbildung. Im deutschsprachigen Raum sind sie relativ neu, finden aber zunehmend Verbreitung.
Die deutsche Bundesärztekammer hat zu diesem Zweck einen ausführlichen Leitfaden “Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen (M & MK)” herausgegeben. Ähnliche Anleitungen existieren in der Schweiz und Österreich. In den Leitfäden werden detaillierte Empfehlungen zur Organisation und Durchführung solcher Konferenzen gegeben. Sie sollten idealerweise fachdisziplin-, berufsgruppen- und sektorenübergreifend stattfinden, um einen möglichst großen Lerneffekt zu erzielen.
Rollenverteilung in der M&MK
Sachlichkeit, Respekt, Vertraulichkeit und offene Kommunikation sind wichtige Grundwerte einer M&MK. Damit die Besprechungen ihr Ziel erreichen, bedarf es einer festen Struktur, eindeutiger Rollenverteilungen und geregelter Abläufe. Grundsätzlich sind folgende Rollen zu besetzen: Leitung, Moderation, Fallauswahl, Präsentation und Mentoring. Leitung und Moderation sollten dabei stets personell getrennt sein, in kleineren Häusern kann es notwendig sein, dass eine Person mehr als eine Rolle übernimmt. Zu den einzelnen Rollen folgende Stichpunkte:
- Leitung: liegt in der Regel beim Chefarzt oder einem Vertreter – zuständig für Einrichtung und Etablierung der M&MK, Rollenzuweisungen, Vermittlung der M&MK-Grundwerte und -Ziele;
- Moderation: sollte ein Mitarbeiter mit hoher Sozialkompetenz übernehmen, der als neutrale Person den Ablauf steuert;
- Fallauswahl: obliegt am besten einem Team, das im Vorfeld die zu besprechenden Fälle aussucht;
- Präsentation: wird von einem Fall-Beteiligten ohne Leitungsfunktion – oft noch in der Ausbildung – übernommen;
- Mentoring: der Mentor unterstützt den Präsentator bei der Vorbereitung und Vorstellung des Falles.
Über die M&MK sollte ein Protokoll angefertigt werden, das anschließend allen Teilnehmern zur Verfügung gestellt wird. Teilnehmer sind stets die Fallbeteiligten, darüber hinaus ggf. weitere Ärzte und Pfleger in Ausbildung.
Der idealtypische Ablauf
Die Konferenz sollte einem vorgegebenen und stets gleichbleibenden Ablauf folgen. Ein solcher struktureller Rahmen ist wichtig für die Institutionalisierung. Wesentliche Elemente der Besprechung sind:
- Begrüßung/Eröffnung
- Präsentation der Fälle
- Behandlung von Fragen/Ergänzungen
- Diskussion
- Festlegung von Maßnahmen zur Verbesserung
- abschließende Bewertung.
Nur wenn aus den Fällen Maßnahmen abgeleitet und anschließend umgesetzt werden, kann die Aufarbeitung unerwarteter Todesfälle zu einer nachhaltigen Verbesserung der Klinik-Qualität führen. Ein entsprechendes Umsetzungs-Controlling mit Evaluierung ist daher auch im Nachgang von M&MK’s stets erforderlich.