Täglich Überstunden machen und ständig Bereitschaftsdienst haben – können junge Ärzte/-innen ihre Arbeitsumgebung überhaupt familienfreundlich gestalten?
Arztberuf und Familie – Geht das?
Für viele junge Ärzte/-innen entpuppt sich gerade der Berufseinstieg als besonders arbeitsintensiv. Sie betreuen Patienten/-innen das erste Mal in ihrem Leben selbstständig und müssen sich an ihrem neuen Arbeitsplatz erst noch beweisen. Bei der hohen Verantwortung und dem grossen Mass an Zeit, das sie bekannterweise in ihren Beruf stecken müssen, bleiben oftmals kaum Kapazitäten für andere Dinge. Die Gründung einer eigenen Familie zum Beispiel steht auf den ersten Blick nicht gerade im Einklang mit ihrem arbeitsintensiven Berufsalltag. Dabei fangen viele ihre Ausbildung zum/-r Assistenzarzt/-ärztin im Alter zwischen 25 und 35 Jahren an – also im gleichen Zeitraum, in dem auch die meisten jungen Paare über die Familienplanung nachdenken. Heisst das, dass Ärzte/-innen auf eigene Kinder verzichten müssen?
Immer mehr Arbeitgeber setzen auf Familienfreundlichkeit
Noch vor ein paar Jahren war diese Frage tatsächlich schwierig zu beantworten. Gerade Assistenzärztinnen mussten sich oft entscheiden: Will ich Karriere machen oder will ich Kinder? Doch auch Assistenzärzte mussten sich immer wieder die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie stellen.
In den letzten Jahren hat sich jedoch einiges getan. Krankenhäusern als Arbeitgeber ist zunehmend mehr daran gelegen, Personalnot vorzubeugen. Daher bieten sie immer öfters auch familienfreundliche Arbeitsmodelle für ihre Assistenzärzte/-innen an. Diese sollen es den jungen Ärzten/-innen ermöglichen, die Familie und den Beruf miteinander zu vereinbaren. So können sie weiterhin im Krankenhaus arbeiten, selbst wenn sie Kinder bekommen. Das Krankenhaus wird damit als Arbeitgeber attraktiver.
Es gibt ein paar Kriterien, auf die junge Assistenzärzte/-innen bei der Wahl ihres Arbeitsgebers besonders achten sollten, wenn sie sowohl eine Karriere als auch die Gründung einer eigenen Familie anstreben. So sieht eine familienfreundliche Arbeitsumgebung aus:
Kinderbetreuung am Arbeitsort?
Gibt es am Arbeitsort Angebote zur Kinderbetreuung? Immer mehr Arbeitgeber bieten ihren Mitarbeiter/innen die Möglichkeit, ihre Kinder während der eigenen Arbeitszeiten bei einer betriebsinternen Betreuung unterzubringen. Diese steht ausschliesslich den Angestellten dieses Betriebs zur Verfügung und ist für sie somit i.d.R. kostenlos.
Es gibt dabei eine Besonderheit, auf die speziell Ärzte/-innen achten sollten: Sofern eine Kinderbetreuung am Arbeitsplatz angeboten wird, ist diese auch 24 Stunden am Tag verfügbar? Ärzte/-innen arbeiten oft im Schichtdienst und vor allem alleinerziehende Elternteile brauchen somit eine Betreuungsmöglichkeit für ihre Kinder auch in der Nacht.
Spielzimmer für Kinder?
Wie kinderfreundlich ist die Infrastruktur am Arbeitsort? Viele Arbeitgeber/innen richten zum Beispiel ein Spielzimmer eigens für Kinder von Mitarbeiter/innen ein, in denen sie Zeit verbringen können während ihre Eltern arbeiten. Auch ein Stillzimmer als Rückzugsort für besonders junge Kinder und ihre Mütter ist bei Arbeitnehmer/innen gern gesehen.
Ausserdem sollte man einen kurzen Blick auf die Speisekarte der Klinikmensa werfen: Stehen kinderfreundliche Gerichte auf der Karte? Das würde es den angestellten Eltern ersparen, eigene Gerichte für die Kinder vorzukochen und mit zum Arbeitsplatz zu bringen
Familienfreundliche Arbeitszeitmodelle?
Wie flexibel lässt sich die eigene Arbeitszeit an einen Alltag mit Kind anpassen? Viele Kliniken bieten ihren Assistenzärzten/-innen mit eigener Familie zum Beispiel an, in Teilzeit oder in Gleitzeit zu arbeiten. So können junge Eltern mehr Zeit zuhause mit ihrem Neugeborenen Baby verbringen und behalten trotzdem ihren Job im Krankenhaus bei. Sobald das Kind älter wird, können die Arbeitszeiten wieder aufgestockt werden.
Als familienfreundlicher Arbeitgeber gilt eine Klinik ausserdem auch dann, wenn es einen Plan zur Kompensation kurzfristig ausfallender Arbeitskräfte gibt. Wird das Kind eines/-r Mitarbeiters/-in krank, so fällt diese/r kurzfristig aus und muss möglichst umfangreich vertreten werden. Schliesslich sind seine/ihre Patienten/-innen ja auch krank.
Schulferien-Freundlichkeit?
Kann man zur Schulferienzeit Urlaub nehmen? Viele Eltern sind darauf angewiesen, in ihrem Job dann Urlaub zu nehmen, wenn auch ihre Kinder Schulferien haben, um sie selbst in dieser Zeit betreuen zu können. Daher können Kliniken als Arbeitgeber festlegen, dass in den Schulferienzeiten vor allem Ärzte/-innen mit Kind ein Urlaub genehmigt wird.
Auch Schichtdienste an Wochenenden und Feiertagen sollten möglichst selten an die Ärzte/-innen verteilt werden, die eine eigene Familie gegründet haben.
Familienfreundlich zertifiziert?
Zu guter Letzt kann eine Klinik als Arbeitgeber noch auf ein Zertifikat über Familienfreundlichkeit überprüft werden. Das gilt als Indiz dafür, dass es am Arbeitsplatz kinderfreundliche Infrastrukturen und flexible Arbeitszeitmodelle für Mitarbeiter/innen mit eigenen Kindern gibt.
Neben einem offiziellen Zertifikat helfen auch Gespräche mit bereits angestellten Ärzten/-innen dabei, mehr über die Familienfreundlichkeit des Krankenhauses als Arbeitgeber herauszufinden.
Arztberuf und Familie – Das geht!
Mit dem Wandel der letzten Jahre zeigt sich also, dass der Beruf des Arztes/der Ärztin in heutzutage sehr wohl mit der Gründung einer eigenen Familie in Einklang gebracht werden kann. Man muss nur seine Arbeitsumgebung familienfreundlich gestalten können. Kommt der Arbeitgeber einem dabei entgegen, so ist es möglich, gleichzeitig als Arzt/Ärztin zu arbeiten und für das eigene Kind da zu sein.
Mit der oben genannten Checkliste lässt sich überprüfen, wie familienfreundlich die Arbeitsumgebung in einem Krankenhaus ist. Sind alle Kriterien erfüllt, so sollte der Vereinbarkeit von Job und Familie bei diesem Arbeitgeber nichts mehr im Wege stehen.