Ein Stent kann Leben retten. Das Implantat hält Herzkranzgefässe offen und stellt so die Blutversorgung des Herzens sicher. Bei Patienten mit geringem Infarkt-Risiko bieten Stents jedoch keine Vorteile gegenüber einer konventionellen Therapie mit Medikamenten. Darauf weisen Studien seit Jahren hin. Dennoch nimmt die Zahl der Stent-Operationen in der Schweiz stetig zu.
Nutzen einer Stent-Operation wird zu selten abgeklärt
Sofern kein Notfall vorliegt, können Ärzte gut abklären, ob sich das Risiko einer Stent-Operation für den Patienten lohnt. Das gelingt zum Beispiel mit einer Druckmessung in den Blutgefässen, einer Computertomografie oder einem MRI. Solche Untersuchungen werden aber zu selten durchgeführt. Das fand bereits eine im Jahr 2015 veröffentlichte Studie der Universität Zürich heraus. Seitdem hat sich die Zahl der Stent-Operationen jedoch keineswegs verringert – ganz im Gegenteil. Mittlerweile gibt es rund 40 Herzkatheter-Labore in der Schweiz, doppelt so viele wie etwa in England. Und auch die Zahl der Stent-Eingriffe nimmt seit Jahren zu. Die Schweiz liegt dabei auf einem Spitzenplatz in Europa.
Ischemia-Studie: Bei Patienten mit kleinem Infarkt-Risiko bieten Stents keine Vorteile
Bei Gefässverschluss ist das Einsetzen eines Stents eine lebensrettende Massnahme. Bei Patienten mit einer Angina Pectoris, die nur ein geringes Infarktrisiko aufweisen, weist ein Stent aber keine Vorteile gegenüber einer Behandlung mit Medikamenten auf. Darauf wies zuletzt die lang erwartete Ischemia-Studie hin. Laut der im November 2019 veröffentlichten Ergebnisse führt ein Stent nicht zu einer verringerten Sterblichkeit im Vergleich zu einer Therapie mit Medikamenten und Bewegung.
Diese Erkenntnis ist nicht neu. Die Orbita-Studie vom Imperial College in London kam schon 2017 zu dem Schluss, dass die Stent-Behandlung einer stabilen Angina Pectoris lediglich einen Placebo-Effekt aufweise. Eine Übersichtsarbeit von 2014 hatte ebenfalls zum Ergebnis, dass ein Stent weder das Herzinfarkt- noch das Todesrisiko reduziert.
Aufgrund des Stents fehlt oft der Anreiz für eine Änderung des Lebensstils
Eine stabile Angina Pectoris führt bei körperlicher Belastung oder Stress zu einem Gefühl der Brustenge, üblicherweise ausgelöst durch eine Engstelle in den Herzkrankzgefässen. Bei einer instabilen Angina Pectoris treten diese Beschwerden auch im Ruhezustand auf. Der Nutzen einer Katheter-Behandlung bei instabiler Angina Pectoris ist erwiesen. Bei Patienten mit stabilen Beschwerden kann der Stent aber sogar kontraproduktiv sein.
Durch das Einsetzen des Stents wird die Engstelle geweitet, den Patienten geht es schnell wieder besser. Genau dadurch fehlen ihnen aber die Anreize, ihren Lebensstil langfristig zu ändern, etwa sich anders zu ernähren oder mehr zu bewegen. Untersuchungen wie die Ischemia-Studie zeigen jedoch, dass genau diese Veränderungen zur Reduzierung des Infarktrisikos wichtig sind.
Stent-Operationen lukrativer als die konservative Behandlung
Warum werden in der Schweiz dennoch so viele Stent-Operationen durchgeführt, der Studienlage zum trotz? Das hängt unter anderem mit der grossen Anzahl an Katheterlaboren zusammen. Die rentieren sich nur, wenn sie auch bespielt werden. Weitere Fehlanreize bietet das Abrechnungssystem: Für eine Herzkatheteruntersuchung ohne Stent erhalten Spitäler etwa 5’000 Franken. Für eine Untersuchung mit Stent-Einsatz sind es durchschnittlich 10’000 Franken. Die Stent-Operationen sind für die Spitäler also deutlich lukrativer als eine konservative Behandlung. Dadurch entsteht für Mediziner ein Druck, auch dann zu operieren, wenn das Einsetzen eines Stents nicht wirklich vorteilhaft ist.