In den Schweizer Spitälern hat die Zufriedenheit des Pflegefachpersonals mit den Arbeitsbedingungen und mit der Bezahlung während der zweiten und dritten Corona-Welle noch einmal deutlich abgenommen. Das zeigt der vom Institut für Unternehmensrechnung und Controlling (IUC) der Universität Bern herausgegebene Spitalpflegereport 2021. Die Spitäler können jedoch viel dafür tun, ihr Personal auch während dieser herausfordernden Zeit zu motivieren. Als besonders wirkungsvoll erweist sich eine Kombination aus Sachleistungen und explizitem Lob.
Auswirkungen der zweiten und dritten Corona-Welle auf die Arbeitsbelastung
Der Spitalpflegereport untersucht als Teil des mehrjährigen Forschungsprojekts „An Integrated Perspective on the Role of Nursing in Knowledge Translation“ die Arbeitssituation von Pflegefachpersonen an Schweizer Spitälern. Das Projekt wird vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) gefördert. Für den aktuellen Report haben die Wissenschaftler des IUC insgesamt 4’038 Pflegefachpersonen aus 26 Spitälern befragt. Mehr als 80 Prozent der Teilnehmer sind weiblich. Die Fragen fokussierten sich vor allem auf die zweite und dritte Corona-Welle im Herbst und Winter 2020/2021 sowie im Frühjahr 2021.
Die Ergebnisse zeigen: Die COVID-19-Pandemie setzt das Pflegepersonal an den Schweizer Spitälern weiter unter hohen Druck. Die Arbeitsbelastung hat sich im Vergleich zur ersten Corona-Welle im Frühjahr 2020 deutlich erhöht. Pflegefachpersonen aus den Not- und Intensivabteilungen geben zum Beispiel an, dass ihre Arbeitsbelastung während der zweiten und dritten Welle im Vergleich zum Zeitraum vor der Pandemie um 61 Prozent gestiegen ist. Während der ersten Corona-Welle im Frühjahr 2020 lag dieser Wert bei 31 Prozent. Infolgedessen nimmt auch die emotionale Belastung zu – um 36 Prozent im Vergleich zum Zeitraum vor der Pandemie. Während der ersten Corona-Welle lag die Zunahme der emotionalen Erschöpfung bei zehn Prozent.
Zufriedenheit noch einmal deutlich gefallen
Die Zufriedenheit des Pflegefachpersonals hat im Untersuchungszeitraum noch einmal deutlich abgenommen. Dabei wächst sowohl die Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen als auch die Unzufriedenheit mit der Bezahlung. Im Zeitraum von 2019 bis zur ersten Corona-Welle stieg die Arbeitszufriedenheit zunächst noch um 0,8 Prozentpunkte an. Im Laufe der zweiten und dritten Corona-Welle nahm sie um 6,7 Prozentpunkte ab. Die Zufriedenheit mit der Bezahlung fiel von der ersten bis zur dritten Corona-Welle um ganze 9,4 Prozent.
In diesem Zuge verringerte sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass Pflegefachkräfte in ihrem Beruf verbleiben. Gaben während der ersten Corona-Welle noch 88,5 Prozent der Befragten an, in zwei Jahren noch im selben Beruf arbeiten zu wollen, sind es während der zweiten und dritten Welle nur noch 81,2 Prozent. 79 Prozent können sich vorstellen, in zwei Jahren noch im selben Spital zu arbeiten – das sind 5,4 Prozent weniger als während der ersten Corona-Welle. Der Anteil der Pflegefachkräfte, die sich vorstellen können, in den nächsten zwei Jahren auf derselben Station zu arbeiten, verringerte sich von 75,5 auf 70,9 Prozent.
Wie können Spitäler die Arbeitszufriedenheit ihres Pflegepersonals steigern?
Die gute Nachricht: Spitäler können einiges tun, um ihr Pflegefachpersonal bei der Stange zu halten. Das gelingt zum Beispiel, indem das Spital spezielle Vorkehrungen zum Umgang mit der COVID-19-Pandemie trifft. Beschäftigte in Spitälern, die einen starken Fokus auf COVID-19-spezifische Massnahmen legen, zeigen sich wesentlich zufriedener mit ihrer Arbeitssituation, leiden seltener unter Zeitdruck und unter emotionaler Erschöpfung. Positiv wirkt sich ein grösseres Angebot an COVID-19-Testkapazitäten aus, ebenso eine Veröffentlichung von Richtlinien zum Umgang mit COVID-19-Patienten sowie eine Reorganisation von Arbeitsprozessen. Motivierter fühlen Pflegefachpersonen sich auch, wenn sie explizit in die Ausgestaltung der COVID-19-spezifischen Massnahmen einbezogen werden.
Etwa 40 Prozent der Befragten haben während der zweiten und dritten Corona-Welle eine Belohnung für ihre Arbeit erhalten, zum Beispiel in Form von Sachleistungen wie Reisegutscheinen oder als finanzielle Prämie. Im Vergleich zur ersten Welle nahm der positive Effekt solcher Belohnungen ab. Als motivierend erweist sich jedoch eine Kombination aus Sachleistungen und einem expliziten Lob durch die Vorgesetzten. Dies hat einen deutlich grösseren Einfluss auf die Studienteilnehmer als eine Kombination aus Sachleistungen und finanzieller Prämie. Positive Effekte ergeben sich weiterhin, wenn Spitäler den Beschäftigen mehr Entscheidungsspielraum bei Pflegetätigkeiten einräumen, Weiterbildungen anbieten und ein kooperatives Arbeitsumfeld schaffen.
Einen sehr grossen Einfluss auf die Zufriedenheit des Pflegefachpersonals hat zudem die Freiwilligkeit: Zwölf Prozent der Befragten arbeiteten während der zweiten und dritten Corona-Welle freiwillig in COVID-19-Fachabteilungen. Bei 70 Prozent der Befragten erfolgte der Wechsel per Dienstanweisung. Beschäftigte aus der zweiten Gruppe berichteten häufiger von emotionaler Erschöpfung und geringer Arbeitszufriedenheit als Pflegefachpersonen, die freiwillig in eine COVID-19-Abteilung gewechselt sind.